Koalitionskonflikt ums Wahlrecht

■ Die DDR-CDU ist für getrennte Wahlgebiete, die SPD will keine „Abgeordneten minderer Qualität“

Die Ostberliner CDU gibt sich selbstbewußt: „Im Endeffekt liegt die Entscheidung, wann wir dem Grundgesetz beitreten und nach welchem Modus wir wählen“, so Parteisprecher Lück, „bei der Regierungskoalition der DDR.“ Das klingt fast so, als handele es sich beim aktuellen Wahlrechtsgerangel um einen Konflikt zwischen Bonn und Ost-Berlin. Dabei verläuft der Dissens mitten durch die Koalition in Ost-Berlin: Die SPD - so ihre offizielle Begründung - will im neuen gesamtdeutschen Parlament keine „Parlamentarier minderen Rechts“ und plädiert deshalb für ein einheitliches Wahlrecht mit Fünfprozentklausel und für ein einheitliches Wahlgebiet.

Die CDU hingegen hat ihre Sympathien für die Gruppierungen entdeckt, die maßgeblich am Umbruch in der DDR beteiligt waren. Die müßten, so ihre Begründung, in einem gesamtdeutschen Parlament außen vor bleiben, wenn sich die SPD mit ihrer Forderung durchsetze. Zwar ist man in der CDU mittlerweile von der Vorstellung abgerückt, in der DDR die Sperrklausel auf drei Prozent zu senken; auch ein einheitliches Wahlrecht würde man hinnehmen; doch damit endet die Kompromißbereitschaft der stärksten Ostberliner Regierungspartei. Getrennte Wahlgebiete und einen Beitritt unmittelbar nach dem Wahlgang will man sich bei den entscheidenden Koalitionsverhandlungen am kommenden Montag von der SPD nicht abhandeln lassen.

Wenn sich die CDU-Vorstellung durchsetzt, werden auch Parteien, die nur im Gebiet der DDR kandidieren und dort die Fünfprozenthürde schaffen, Abgeordnete stellen. „Natürlich“, so Lück, entsteht so der „fatale Eindruck“, die CDU verhelfe der PDS ins neue Parlament. Das jedoch sei keinesfalls ihr Anliegen.

Daran darf gezweifelt werden. Denn die PDS-Stimmen gehen zu Lasten der SPD. Deshalb ist es, wahltaktisch gesehen, nur konsequent, wenn die SPD ein einheitliches Wahlgebiet anstrebt, um die PDS unter die gesamtdeutsche Fünfprozentklausel zu drücken. Gegen diese Unterstellung verwahrt man sich in der SPD-Parteizentrale in Berlin mit einem bemerkenswerten Argument: Wahlarithmetik spiele bei der SPD-Option keine Rolle; schließlich, so Parteisprecher Itzfeld, „entledigen wir uns mit unserem Vorschlag unseres natürlichen Koalitionspartners, der Grünen und Bürgerbewegungen“. Das allerdings hat bei der SPD Tradition: die DDR-SPD wollte schon bei den Volkskammerwahlen am 18.März die Bürgerbewegungen draußen halten.

Die Grünen und Bürgerbewegungen sind in der für sie existentiellen Frage der Wahlmodalitäten auf die Zuschauerränge verbannt. Sie hoffen auf die CDU. Denn bei getrennten Wahlgebieten hätte das Bündnis gute Aussichten, über die DDR-interne Fünfprozenthürde zu springen.

Matthias Geis