Verfassung oder Daten schützen?

■ Datenschützer wühlt bei Verfassungsschützern / „Großer Umfang“ illegaler Unterlagen „nur durch umfassende Aktion“ zu beseitigen / Lob an VS-Mitarbeiter

Dahlem. Großes Lob für Berlins Datenschutzbeauftragten Hansjürgen Garstka vom Amtsleiter des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV): „Die Vorschläge des Datenschutzbeauftragten machen uns arbeitsfähiger, und vor allem gibt seine Arbeit der Bevölkerung Vertrauen in unser Amt zurück.“ Doch der 47seitige Bericht, der Ende Juni vorgestellt wurde, schafft sicher alles andere als Vertrauen.

Neben schwerer Kritik an der Arbeitsweise der Beamten bringt der Bericht einen neuen Skandal an die Oberfläche. Der ehemalige Präsident des Kammergerichtes, Dieter Dehnicke, soll regelmäßig Referendare linker Anwälte beim LfV denunziert haben. Dehnicke erklärte allerdings, daß ihm „von einer solchen Mitteilungspraxis“ in den 14 Jahren seiner Amtszeit „nichts bekannt geworden“ sei. Die Justizsenatsverwaltung untersucht den Vorwurf des Datenschützers.

An dem Amt, daß von über 200.000 BürgerInnen Daten gesammelt hat, kritisiert Garstka „zentral“, daß nicht mehr erforderliche Akten aufbewahrt werden. Doch weil auch die Aktenführung unzureichend sei, könne nicht nachvollzogen werden, in welchen weiteren Akten Kopien von den nicht mehr erforderlichen Akten abgelegt worden seien. Dabei sind Daten selbstverständlich auch an andere Stellen weitergeleitet worden. Eine komplette Löschung überflüssiger Daten sei deshalb äußerst schwierig. Garstka bemängelte weiter, daß alle zu den betroffenen Personen eingehenden Informationen ohne jede Wertung gesammelt worden seien. Zum Teil sei nicht zu erkennen, ob die betreffende Person überhaupt verfassungsfeindlich aktiv gewesen sei.

Der Datenschutzbeauftragte forderte die Überprüfung „aller vorhandenen Informationssammlungen“. Die nicht mehr rechtmäßig geführten Unterlagen könnten „nur durch eine umfassende Reinigungsaktion“ beseitigt werden. Bei Akten müsse über ein Protokoll, ähnlich wie bei Gerichtsakten, festgehalten werden, wer, wann, wo in welchem Umfang Einsicht in die Akten genommen hat. Eine innere Revision soll kontrollieren, inwieweit Daten überhaupt gesammelt werden dürfen, und dafür sorgen, daß veraltete Daten gelöscht werden. Der Bürger soll über seine Daten mehr Auskunft erhalten als bisher. Garstka lobte die „ausgesprochen gute Zusammenarbeit“ mit den Mitarbeitern des LfV.

Das Dahlemer Schnüffelamt wolle die angesprochenen Mängel „kooperativ“ bereinigen, erklärte Amtsleiter Annußek der taz auf Anfrage. Wenn Bürger an ihren Daten interessiert sind, müssen sie an die Senats- innenverwaltung, Abteilung IV, Fehrbelliner Platz 2 eine formlose Postkarte schicken. Bereits seit einem Dreivierteljahr bemühe sich das LfV um eine befriedigende Auskunftserteilung, so Annußek. Bisher gab es 600 Anfragen von Bürgern.

diak