Mit Grips, Gips und Pariser

■ 'Blau‘, eine neue Berliner Frauenzeitung

Es gibt wieder eine Berliner Frauenzeitung, die es sich zum Ziel gemacht hat, regionale Berichterstattung zu leisten, aber kein erweiterter Veranstaltungskalender werden will. (Blattvergolderinnen atmen auf.) Als Nachfolgerin von 'Primadonna‘ hat sie auch einige Erfahrungen gesammelt: Die Redaktion besteht aus maximal zehn Frauen, die sich nicht -öffentlich treffen, um arbeitsfähig zu bleiben. Sie wollen ihr Hauptaugenmerk auf die „kritisch begleitende Analyse frauenpolitisch relevanter Themen aller Bereiche“ richten. (Wie viele Hände haben in diesem Satz gerührt?) So weit, so breit lächeln die Redakteusen alle mit derselben Perücke aus dem Editorial. Nur die Augen wirken jeweils anders frisiert. Sie nennen sich „avantgardistische Feministinnen“ und wollen unvereinnahmbar sein. Eine 'Blau'-Frau: „Die Zeitung soll Mut machen zu anderen Lebensformen, nämlich nichtakademischen und nichtkarrieristischen“ - also ein Ort, von dem aus ganz autonom, und unbezahlt selbstverständlich, frech gedacht werden kann.

Weil sich die Frauenbewegung solchen Projekten gegenüber etablierter gibt als sie ist, werden die 'Blau'-Frauen allen Schalk nötig haben, um diese Zeitung in diesen Zeiten zu machen. Und das fehlende Blau auf dem Titelbild sowie die wilde Frau, die über die Stadt springt, erzeugen Drahtseilspannung. So schlage ich nach dem „Blaueditorial“ die Zeitung von hinten auf, weil da immer das Happy-open-end zu finden ist. Statt der Farbe Blau also die Farben Braun und Rot, aber zum Ausgleich wird dem Helmut Kohl ein blaugeschlagenes Auge gereicht. Tröstliches ist auch über die Teddybärenentwicklung in einem Cartoon von Heidi Kull zu erfahren, die Liebhaberinnen noch aus 'Primadonna'-Zeiten in Erinnerung sein wird. Desweiteren finden die Leserinnen eine Belehrung darüber, was 'Blau‘ sein will, aus dem Grimmschen Wörterbuch von 1860. Bettine von Arnim ist dort zitiert mit „mancher schieszt ins blaue und trifft ins schwarze“. Diese Hoffnung scheint die Redaktion zu hegen, wenn sie in hastigem Anlauf die gutwillige Leserin mit Themen wie „Mißbrauch von Kindern“, „Repression in El Salvador“ und „Knastliteratur von Frauen“ konfrontiert. Diese Abmischung scheint mir zu zeitlos, selbst für einen Zweimonatsrhythmus. Die politisch interessierte Berlinerin hätte sich doch mehr Lokalkoloratur gewünscht. Ob Ost, West oder dazwischen, die Blaustrümpfe wollten nicht „mit den Wölfen heulen“, aber der Mond scheint allemal.

Da lasse ich mich lieber von der 'Freundin‘ locken - einer Zeitschrift „für ideale Frauenfreundschaft“ um 1925, die 'Blau‘ rezensiert. Allerdings ohne mir zu erklären, welches Ideal die Freundinnen damals hatten und welches 'Blau‘ nun ihrerseits anvisiert, auch wenn im Editorial versprochen wird, man wolle den „Bezug zur heutigen Situation reflektieren“. Vielleicht ist das zu „ideal“ gedacht, und so bin ich doch versöhnt, weil ich viel Interessantes über die Herzenswünsche der Leserinnen in den „Goldenen Zwanzigern“ erfahre.

Da 'Blau‘ zumindest dem Anspruch nach die „endgültige Verschmelzung, die vollständige Einheit von Gefühl und Blick auslöst“, widme ich mich der Bastelecke „Dil-do it yourself“. In einfacher Form wird hier illustriert, wie frau sich einen Dildo basteln kann: Mit Grips, Gips und Pariser ist die Überraschung perfekt. Auf der „Blauen Wiese“ wird die Konsumentin dazu aufgefordert, kreativ zu werden. Vorturnerin für diese Ausgabe ist Elula Lasziva, die alle Frauenkrimis gelesen hat und uns mit übernächtigten Augen ihre Lieblingsstellen collagiert. Die Suche nach der Blauen Blume kann also beginnen, und die Findigen können sie dorthin bringen, wo Feminismus oder Fraulesbisches noch Spaß zu machen droht. Der Leserin seien ein blaues und ein rotes Auge verliehen, den Redakteusen ein Orden und Ordner zu diesem Projekt.

„Zu dem Blau des Himmels und der goldglänzenden Sonne tritt dergestalt das rote Blut der Menschen, die hingeopfert werden aus der Angst heraus, die Sonne könnte zu leuchten aufhören.“ (Anleihen aus dem Himmlischen Blau von Ria Bischoff in: 'Niemandsland‘, Heft 3, Jhrg. 1, 1987)

Wenn es möglich wäre, die Farben anders zu mischen, so daß der Himmel rot, die Sonne blau und das Blut gelb würden, müßten Opfer nicht mehr sein. Und die Frauen könnten ihr Begehren auf die ganze Welt richten. Also Blau nicht nur für Blaustrümpfe. Die Nummer 1 erscheint am 9. Juli.

Kerstin Lück

'Blau‘, c/o Bartholmes, Weisestraße 30, 1-44.