Fußballchaos im Roten Rathaus

■ Das Fußballspiel fing an - und plötzlich hatte das Bündnis 90 und die PDS die Mehrheit in der SVV

Ost-Berlin. Die größten Fußballfans unter den Ostberliner Abgeordneten sitzen offenbar in der CDU. Als gestern des Fußballspiel begann, hatten sich viele der konservativen Hinterbänkler bereits in Richtung Fernsehsessel begeben. Plötzlich fand ein Antrag vom Bündnis 90 mit den Stimmen der PDS eine knappe Mehrheit gegen die Regierungsparteien SPD und CDU. Der Streitpunkt: Das Bündnis wollte einen Behindertenbeauftragten installieren und ihn direkt im Magistrat ansiedeln, während die schwarz-rote Koalition dafür plädierte, den künftigen Beauftragten beim Stadtrat für Soziales arbeiten zu lassen. War dieser Abstimmungserfolg noch relativ ungefährlich für die Regierung, hatte es der nächste Antrag schon in sich. Die PDS wollte durchsetzen, daß der Magistrat in „personellen und sonstigen inneren Angelegenheiten“ einem parlamentarischen Kontrollausschuß Rechenschaft ablegen müsse. „Das ist eine Zeitbombe für die Regierung“, stöhnte ein SPD-Abgeordneter, denn der nächste Ausschußvorsitzende wird turnusmäßig von der PDS gestellt.

Während Deutschland gegen England bereits mit 1:0 in Führung lag, schien die Niederlage der Regierungskoalition wegen der lückenhaften Mannschaftsaufstellung perfekt. Dann kam den Kapitänen von CDU und SPD eine Idee: Alle vom Rasen runter! Die Sozial- und Christdemokraten verließen das Spielfeld, während ihnen die gegnerischen Teams Foulspiel vorhielten. Doch die Hoffnung, daß Schiedsrichter Engler (CDU) das Spiel wegen Beschlußunfähigkeit abpfeifen würde, wurde nicht erfüllt: Trotz der fehlenden Mitspieler waren noch genügend Abgeordnete vorhanden. Den Titelverteidigern rutschte das Herz in die Hose, bis der Schiedsrichter, der keineswegs unparteiisch agierte, den Saal verließ: Engler unterbrach das Spiel für eine Stunde. Die PDS-Stürmer protestierten lautstark und hielten ihm das Reglement vor: Das Verlassen des Rasens sei nur gestattet, wenn es zu tumultartigen Zuständen und permanenten Zwischenrufen komme. So steht es auch in der vorläufigen Geschäftsordnung. Draußen verhandelten inzwischen die Kapitäne der SPD und CDU mit dem Teamchef der Liberalen. Der Mann wurde überzeugt, einer Änderung der Tagesordnung zuzustimmen. Nachdem die Spieler wieder auf ihre Positionen zurückgekehrt waren, fand sich für die formelle Spielunterbrechung dann tatsächlich eine Mehrheit. Der PDS-Antrag sowie ein Antrag vom Bündnis 90 zum Thema Potsdamer Platz wurde mit hauchdünner Merhrheit gegen die Stimmen von PDS und Bündnis 90 verschoben. Ob den Liberalen eine Ablösesumme gezahlt wurde, ließ sich nicht in Erfahrung bringen.

ccm