Polikliniken: Ja - aber kieznäher

■ Diskussion in Hohenschönhausen um „Perspektiven der Gesundheitsversorgung in Ost und West“ / Krankenhauspersonal schlägt neue Wege vor / Einrichtung von Sozialstation in der Klinik geplant

Hohenschönhausen. Jetzt hat Ost-Berlin auch auf Stadtbezirksebene den ersten West-Personalimport installiert: Nachdem der westliche Exsenator Pieroth (CDU) Wirtschaftsstadtrat im Magistrat wurde, soll nun die ehemalige Kreuzberger Gesundheitsstadträtin Brunhilde Dathe (AL) als Stadtbezirksgesundheitsrätin den Brüdern und Schwestern aus Hohenschönhausen unter die unsicher zitternden Arme greifen.

Kaum zwei Wochen im neuen Amt, leitete die vom Bündnis 90 gestellte, frischgebackene West-Ost-Funktionsträgerin am Mittwoch abend eine Diskussionsveranstaltung zum Thema „Perspektiven der Gesundheitsversorgung in Ost und West“. Schwerpunkt: der Erhalt der DDR-spezifischen Polikliniken.

Auch wenn die Vorteile dieser Einrichtung „nicht immer zum Tragen gekommen“ seien, so die Ostberliner Soziologin Edelgard Neukirch, vereine sich unter dem Poliklinikdach doch eine Vielfalt von medizinischen Fachrichtungen, die, gekoppelt mit der „optimalen Ausnutzung“ der technischen Geräte, eine abgestimmte ambulant/stationäre Zusammenarbeit ermöglichten. Wünschenswert sei allerdings eine Weiterentwicklung zu „integrierten Gesundheitszentren“. Weiterer Pluspunkt: Sie sind kostengünstig durch die Vernetzung der Geräte, welche nicht nur von Wohlfahrtsverbänden, sondern auch durch die kommunale Hand getragen werden könnten. Vorstellbar sei, daß ein Teil der Beratungstätigkeit der Gesundheitsämter in die Polikliniken verlagert werde.

In der Poliklinik Prenzlauer Berg haben sich die Beschäftigten bereits konkrete Gedanken über ihre Zukunft gemacht: Unter Einbeziehung von Bezirks- und hauseigenen Schwestern wollen die Pflegekräfte in der Klinik eine Sozialstation errichten. Nicht genutzte Operationszeiten werden bereits niedergelassenen Ärzten angeboten. Auch eine geplante Tagesstation für Kinderheilkunde nimmt bereits Formen an. Hinzukommen soll mit Hilfe der bereits dort tätigen Psychologin eine Gesundheitsberatung und die Möglichkeit zum Aufbau von Selbsthilfegruppen.

Doch wie viele Pläne in diesen Tagen bricht sich auch dieser an der Frage der Finanzierung. Zwar ist die Existenz der Polikliniken laut Staatsvertrag bis zum Ende des Jahres gesichert, umfangreiche Finanzspritzen können sie jedoch nicht erwarten. Die öffentlichen Kassen sind leer und die gesetzliche Frage der Finanzierung noch nicht geklärt. Laut Gesetz dürfen die Polikliniken noch gar nicht eigenständig arbeiten, sondern sind nach wie vor dem Stadtbezirksgesundheitsrat unterstellt. In jedem Fall soll laut dem Westberliner Ärztekammerpräsidenten Huber bis Ende des Jahres eine Gesamtberliner Ärztekammer und eine gemeinsame Kassenärztliche Vereinigung entstehen.

Doch die Beschäftigten quält derzeit viel mehr, inwieweit sie selbst noch einen Platz nach der Neustrukturierung finden werden. Vor allem Schwestern fürchten, kurzerhand „wegrationalisiert“ zu werden. Niemand dementiert solche herumschwirrenden Gerüchte. Die stellvertretende ärztliche Direktorin im Krankenhaus Mitte, Roswitha Stark, befürchtet, daß Pflegekräfte im ambulanten Bereich reduziert und deshalb umgeschult werden sollen. Dabei wäre gerade ihr Haus dringend auf Schwestern angewiesen: Von 78 Planstellen sind derzeit 20 nicht besetzt.

maz