Hürdenlauf im schwarzen Bodystocking

■ 28. Olympischer Tag der Leichtathleten in Ost-Berlin: Statt Weltrekorde gab es diesmal lockere Stimmung, nur wenige Höchstleistungen, freigebige Sponsoren und Pfiffe für die Sportministerin

Ost-Berlin. Kein großer Hit für Olympiasieger war der 28. Olympische Tag der Leichtathleten auf der Ostberliner Jahn -Sportanlage. Sechs Seoul-Sieger von 1988 waren nach Berlin geeilt, um ihr Können zu zeigen, aber nur Kugelstoßer Ulf Timmermann (DDR) stieß das Eisen 20,59 Meter weit und mithin siegreich von sich.

Stark in Wallung gerieten die 10.000 Zuschauer bei strahlendem Sonnenschein jedoch beim Hürdenduell der Superstars, welches stark von der Kleidungsfrage bestimmt wurde. Streng nach der Devise „Das Leibchen bestimmt das Weibchen“ verordnete Frau Foster ihrem Mann Greg Foster, dem zweimaligen Weltmeister, den schwarzen Bodystocking, worauf er die 110 Meter Hürden in 13,27 Sekunden lief. Zwei Hundertstel später trudelte Olympiasieger Roger Kingdom ins Ziel - mit geliehenem grünem Anzug. Sein Gepäck war im Flughafen verschollen. Daß seine Niederlage an der türkisfarbenen Sonnenbrille läge, stritt er jedoch vehement ab. Die trage er wegen seiner Allergien und weil ihm ein Sponsor Geld gibt dafür. Das braucht er scheint's auch, denn seine Arme ziert linksseitig eine mit Brillanten besetzte Golduhr, rechts eine schwere güldene Kette. Das Kruzifix an seinem Hals, ebenfalls edelsteinbestückt, ist hingegen sein Glücksbringer. In tadelloser Michael-Chang-Manier beteuerte er: „Ich glaube an Gott, und dieses Kreuz beschützt mich.“ Mit Hilfe dieses himmlischen Sponsors will er im übrigen einen Weltrekord aufstellen und Gold bei Olympia 1992 in Barcelona erringen.

Für des Publikums Bewegung sorgte der Dreispringer Kenny Harrison. Rhythmisches Sportklatschen von den Tribünen begleitete jeden seiner Anlaufschritte, was ihn zu der Weltklasseweite von 17,79 Meter animierte. „Dreisprung“, dozierte er hernach, „ist eine technisch sehr anspruchsvolle Disziplin. Da gehört mehr dazu als schnelles Laufen oder weites Springen, wie das Carl Lewis tut.“

Mit zugegebenermaßen trivialem, aber blitzschnellem Laufen über 200 Meter löste Merlene Ottey (Jamaika) helles Entzücken aus: Sie flitzte die Strecke in der Jahresweltbestleistung von 21,94 Sekunden und ließ damit auch Katrin Krabbe (DDR) und die nach einjähriger Pause wieder in den Sport zurückgekehrte Heike Drechsler (DDR) weit hinter sich. Die BRD-Halleneuropameisterin Ulrike Sarvari wurde achte.

Für viele der AthletInnen war die Öffnung der DDR deutlich spürbar. Abgesehen von der guten Unterbringung und Verpflegung fühlte man sich viel relaxter, könne sich ungewohnt frei bewegen und unkompliziert Kontakt aufnehmen. Nun endlich sei alles wonderful, erklärte Frau Ottey, die schon dreimal in Ost-Berlin gewann. Tatsächlich heiter war die Stimmung im Jahnpark, und Profi-Hochspringer Carlo Thränhard tat das Seinige dazu: Der blondschöpfige Berater von Boris Becker in Liebes- und Lebensangelegenheiten spekulierte zu riskant, lag zu lange im Gartenstuhl und scheiterte unter Hohngelächter dreimal an der selbstgewählten Anfangshöhe von 2,24 Meter. Die Scharte wetzte der Kollege Dietmar Mögenburg aus, der mit 2,31 Meter vor dem Rumänen Sorin Matei gewann. Der Geheimtip der taz -Redakteurin, Ralf Sonn aus Weinheim, flog tiefer und wurde Vierter. Besonders weit indes segelte der Hammer von Heinz Weis: Mit 80,60 Metern holte er den zweiten Sieg des BRD -Teams, dessen AthletInnen zwei Tage vor Beginn der Qualifikationswettbewerbe für die Europameisterschaft in Split (August) noch keine Topform verrieten.

In diesem Sinne ließ sich der künftige Besitzer Berlins und des Sports (Rätsel: ihm gehört demnächst der Potsdamer Platz und bereits die Fußballnationalmannschaft) nicht lumpen und karrte die hochkarätigen Sportler per klimatisierter Luxuslimousine inklusive Anzugchauffeur zur Arena und ins Hotel. Auch das Publikum genoß den neuen Reichtum. Es ließ sich mit Aufklebern jedweder Herkunft beschenken, testete die kulinarischen Köstlichkeiten und erstand Karten für das Meeting in West-Berlin (ISTAF). Am eindrucksvollsten wie sympathischsten dokumentierte das Publikum jedoch das neue Selbstbewußtsein mit je zwei Fingern im Mund: Als der Stadionsprecher die Ankunft der Sportministerin Schubert bekanntgab, ertönte ein gellendes Pfeifkonzert.

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