: Die Schlacht um die Partei wird nicht kommentiert
■ In der Sowjetpresse wagt nur die „Komsomolskaja Prawda“ zu benennen, wie es um die KPdSU steht
Aus Moskau K.-H. Donath
Anscheinend sehen die großen Tageszeitungen Moskaus, die 'Iswestija‘ und die 'Prawda‘, zur Zeit kein Thema, das sich zum Kommentieren anböte. Hatte die Regierungszeitung 'Iswestija‘ vor zwei Wochen den Gründungskongreß der Russischen Kommunisten noch durch kritische Eigenbeiträge gewürdigt, genügte ihr gestern ein 'Tass'-Bericht. Aus der Rolle fällt wieder einmal die 'Komsomolskaja Prawda‘, das Organ des ZK des kommunistischen Jugendverbandes. Nicht zufällig mußte sie „wegen ihrer respektlosen Haltung“ die Kritik einiger Delegierter einstecken. Ihre Auflage ist im letzten Jahr sprunghaft gestiegen. Unter Wettbewerbsbedingungen könnte sie spielend existieren. Doch geht ihr heute ab und an das Papier aus... Über den Kongreß schreibt ihr Delegierter: „(...) Von Zeit zu Zeit taucht in unserem politischen Vokabular ein neuer Terminus auf. Heute heißt er 'Konsolidierung‘. Fast jeder auf dem Kongreß führt ihn im Munde. Die politisch führende Kraft des Landes steht gerade vor der faktischen Spaltung. Daher die Frage: Wozu sollen sich die Kommunisten konsolidieren? Etwa um Ideale und Prinzipien zu verteidigen, zu denen man sich schon seit mehr als zehn Jahren nicht mehr bekennt? Oder vielleicht, um mit vereinten Kräften neue erreichbare Ziele zu entwerfen, die dem Lande eine lebenswerte Perspektive geben? 'Konsolidierung‘ klingt auf dem Parteitag wie eine Beschwörungsformel. Die Partei ist nichts anderes mehr als ein Machtapparat. Eine Partei ohne gemeinsame Ideologie. Ich gestehe, nach dem ZK-Bericht hatte ich auch keine größere Klarheit. Aber wie war es erst nach den Auftritten von Jakowlew auf der einen und Ligatschow auf der anderen Seite? Obgleich man die Geschlossenheit des Politbüros beschwört ja, tatsächlich. Nur sehe ich nicht, wie man die völlige Ablehnung des Unternehmertums mit Privateigentum zusammenfügen will. Oder wo sind die Gemeinsamkeiten zwischen der Betonung allgemeinmenschlicher Werte und der wütenden Forderung, politische Probleme nur vom Klassenstandpunkt aus zu beantworten? (...) Eine Partei ohne gemeinsame ideologische Grundlage ist keine Partei. Das hat man nur nicht gespürt, solange sie im Lande die Macht ausübte und über alles und jedes entschied. Heute ist das nur noch ein Paradox. Der KPdSU steht es erst noch bevor, eine Partei zu werden. Und das kann nur von einer neuen ideologischen Grundlage aus geschehen (...) Die Probleme im Land sind die Probleme des Innenlebens der Partei (...) Beschwörungsformeln von der Art 'Sie glauben an die Partei und erwarten viel von ihr‘ führen bloß in eine Sackgasse, nicht etwa zur Spaltung, nein - zu ihrem Untergang.“
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