Helgoland heizt mit der Nordsee

■ Auf der Frieseninsel sorgen Wind und Wasser für Energie / Dreifacher Strompreis

Die 1.746 Inselfriesen auf Helgoland haben ein einzigartiges Geschenk erhalten: Ein komplettes Kraftwerk, das über 850 Inselhaushalte nicht nur mit Strom und Trinkwasser, sondern auch noch mit Fernwärme versorgt. Mit der offiziellen Inbetriebnahme der Anlage auf dem Unterland wird nach Angaben der Energie-Erzeugungswerke Helgoland (EWH) weltweit erstmals Seewasserwärme und Windenergie kombiniert nutzbar gemacht.

Die Neuordnung der Energie- und Wasserversorgung der nur knapp ein Quadratmeterkilometer großen Felseninsel mitten in der Nordsee, die keinen einzigen Trinkwasserbrunnen hat und auch nicht über ein Seekabel mit dem Festland verbunden ist, hat rund 50 Millionen Mark verschlungen. Während die Bundesrepublik Deutschland, das Land Schleswig-Holstein und die Europäische Gemeinschaft 19 Millionen Mark besteuerten, trug die Schleswag AG Rendsburg - die EWH ist eine 100prozentige Tochtergesellschaft - mit 31 Millionen Mark den Löwenanteil des einzigartigen Projekts.

Beim „Innovations-Projekt-Helgoland“ bestand die besondere Herausforderung und Ingenieurleistung darin, während der

langwierigen Erneuerungsphase die Versorgung der Insulaner mit Elektrizität, Fernwärme und Trinkwasser aufrecht zu erhalten. Gewaltige Schiffsdieselaggregate sorgten während der Bauarbeiten für Strom und Wärme, umfunktionierte Versorgungstankschiffe pendelten zwischen Cuxhaven und der Insel und speisten während des Baus der hochmodernen Meerwasserentsalzungsanlage das Festlandsnaß in das insulare Rohrleitungssystem ein.

Bei dem jetzt auf Helgoland praktizierten neuartigen Entsalzungsverfahren wird das Nordseewasser unter hohem Druck nach dem Umkehr-Osmose-Prinzip durch spezielle Membranen geleitet. Die Besonderheit: Für den Betrieb der Hochdruckpumpen wird Windenergie eingesetzt, die die 50 Meter hohe Windmühle mit ihren drei Flügeln im Vorhafen liefert. Geht die Rechnung der Techniker auf, wird die mit 1,2 Megawatt Leistung ausgelegte Windkraftanlage fast ein Viertel des gesamten Strombedarfs der Insel decken.

Die Wärme des Nordseewassers als weitere regenerative Energiequelle beheizt über eine Wärmepumpe das Schwimmbad und liefert zugleich die Prozeßwärme für die Meerwasserentsal

zungsanlage, die täglich bis zu 960 Kubikmeter Trinkwasser produzieren kann. Zwei Schweröl-Dieselmotoren, ausgestattet mit einer zum ersten Mal eingesetzten Rauchgasreinigung, sind mit der Windkraftanlage und der Superwärmepumpe vernetzt.

Eine komplizierte Technik steuert schließlich automatisch das optimale Zusammenwirken. Nahezu vollkommen werden die anfallden Stick- und Schwefeldioxide aus dem Rauch gefiltert, so daß ein optimaler Umweltschutz gewährleistet ist. Und mit einem geschätzten Ölbedarf von rund 5.000 Tonnen verbraucht das neue Kraftwerk nur noch etwa die Hälfte des Öls, das die alte Anlage benötigte. Der Kostengewinn reiche aber bei weitem nicht aus, um den Wasser - und Strompreis zu senken, stellen hierzu die EWH ehrlicherweise fest. Auch künftig müssen die Helgoländer im Vergleich zum Festland den dreifachen Preis zahlen.

dp