Count-down für Mercedingen

■ Hemelingen: Senat sieht nur Alternative zwischen billiger und teurer Straße / Mehr Ideen braucht der Stern

Wohl keine andere Straßenbau maßnahme ist in den letzten zehn Jahren so oft geändert, zu den Akten gelegt, neu aufgegriffen und wieder geändert worden wie der sogenannte Daimler-Tunnel, im Behördenjargon auch „Wohnstraßenfreie Verbindung Hemelingen“ genannt. Der Verkehr, maßgeblich verursacht durch das Mercedes-Werk, hat während dessen immer mehr zugenommen. Durch den schmalen Brüggeweg, links und rechts kleine Wohnhäuser, fahren etwa 20.000 Autos pro Tag. Wenn bei Daimler-Schichtwechsel ist, stehen ältere Menschen am Straßenrand und haben keine Chance, die Straße zu queren.

Doch an Abhilfe durch den Bau einer neuen Straße wollen die meisten HemelingerInnen nicht mehr glauben. Gestern waren Mitglieder verschiedener Bürgerinitiativen zu einer Pressekonferenz der Grünen geladen, um ihre Meinung zu dem Mammutbauwerk mitzuteilen. Zum Beispiel Karl-Heinz Hävecker von der „BI gegen den Hemelinger Tunnel“: „Wir Hemelinger protestieren auf das Schärfste gegen diese Pläne. 40 bis 50 Häuser müßten abgerissen werden. Der Stadtteil würde auseinandergerissen. Die Bodenverhältnisse sind nicht untersucht. Weil der Tunnel vier Meter unter dem Grundwasserspiegel liegt, wird es zu Folgeschäden kommen.“

Jörg Eiteljörge von der Bürgerinitiative „Stackkamp und umzu“ resümmierte: „Für Daimler hat man einiges getan, für die Bevölkerung hier nichts.“ Wenn der Tunnel gebaut werde, dann solle man Hemelingen doch gleich in „Mercedingen“ umbenennen. Und Dorothe Klöckner vom Bündnis Bremer Verkehrsinitiativen verwies darauf, daß der

Tunnel auch nur die 20.000 Autos täglich aufnehmen könne, die bereits jetzt durch den Brüggeweg fahren. Deshalb werde es weiterhin zu Staus kommen und der Brüggeweg Umgehungsstraße werden.

Mit den Grünen fürchten die Bürgerinitiativen, daß der Senat die anstehende Sommerpause dazu nutzt, den Tunnelbeschluß zu fassen, um größere Proteste zu vermeiden. In der Tat stand das Tunnelthema bereits zweimal auf der Tagesordnung des Senats, wurde aber jeweils vertagt. Neuer Termin: Der 17. Juli. Offiziell stehen noch zwei Varianten zur Debatte. Das Bauressort setzt auf die 268 Millionen teure sogenannte AB-Lösung. Diese Straße soll zwei Kilometer lang werden. 1700 Meter sollen als Tunnel beziehungsweise als Trog gebaut werden. Dagegen opponiert vor allem das Finanzressort. Finanzsenator Claus Grobecker bevorzugt die sogenannte E-Variante, die nur auf 800 Meter als teurer Tunnel und auf 650 Meter auf billigeren Brücken und Rampen geführt würde. Bei dieser Lösung würden 82 Millionen Mark gespart, gleichzeitig jedoch erheblich mehr Belästigung der Bevölkerung billigend in Kauf genommen.

Doch die Hemelinger Bevölkerung spielt in der Problemsicht des Senats ohnehin nur eine untergeordnete Rolle. Verwiesen wird statt dessen darauf, daß „die Mercedes AG drängt“ und eine „weitere Entwicklung dieses wichtigen bremischen Wirtschaftsstandortes“ behindert sei.

Im Gegensatz zum Senat sehen die Grünen in Übereinstimmung mit den Bürgerinitiativen noch eine ganz andere Alternative: Statt Tunnel „mehr Ideen für den Stern auf dem wir leben“, zitieren

sie ein Werbeplakat von Daimler. Und die Ideen sind da, allein es fehlt an der Umsetzung. So rauschen nach Angaben der Grünen Irmgard Jahnke Tag für Tag allein 700 LKW's aus dem Fernverkehr zu Daimler. Hinzu kommt eine ungezählte Zahl von LKW's, die Produktionsnachschub aus dem Güterverkehrszentrum beim Neustädter Hafen durch die Stadt zu Daimler bringen. Dabei sei es kein Problem, die Güter direkt per Schiene anzuliefern. Irmgard Jahnke: „Wir appelieren an Daimler, wie VW umzudenken.“

Dort wolle man künftig 85 Prozent aller Güter über die Schiene transportieren.

Zweiter Vorschlag: Für die Daimler-Pendler, die täglich zu Tausenden per PKW zur Arbeit fahren, sollten an den Autobahnabfahrten Parkmöglichkeiten geschaffen und ein Buspendelverkehr zum Werk eingerichtet werden. Jahnke: „Daimler könnte die Akzeptanz in Bremen erhöhen, wenn der Konzern die Verwirklichung eines ökologischen Verkehrskonzeptes selbst in die Hand nimmmt.“

hbk