„Allenfalls geringes Verschulden“

■ Gericht will Parteispendenprozeß gegen früheren Bosch-Chef einstellen / Keine „Eigennützigkeit“

Von Erwin Single

Stuttgart (taz) - 13 Monate lang konnten die Prozeßbeteiligten und eifrigen Beobachter im Parteispendenprozeß gegen den früheren Bosch-Chef Hans Merkle aufschlußreiche Einblicke in das Musterland der Geldwäscher erlangen. Nun will das Stuttgarter Landgericht dem Schauspiel ein Ende bereiten: Nicht ganz unüberraschend präsentierten die Richter gestern den Vorschlag, das Verfahren endgültig einzustellen. Nach Bereinigung der Steuerschuld von 6,75 Millionen DM sieht das Gericht das dem Angeklagten „allenfalls noch anzulastende Verschulden“ als „gering“ an. Dem verbleibenden öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung könne die Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 1 Million DM Genüge getan werden, begründete Richter Klaus Teichmann den Einstellungsvorschlag. In der nächsten Verhandlung soll darüber entschieden werden.

Teichmann erklärte, in den letzten Monaten der Beweisaufnahme hätten sich „mannigfaltige Anhaltspunkte“ dafür ergeben, daß politische Mandatsträger das System der Parteispenden durch steuerbegünstigte Zuwendungen „nicht nur initiiert und über Jahrzehnte hingenommen, sondern es aktiv abgeschirmt“ haben. Die spendenwilligen Unternehmer seien „in Kenntnis der steuerlichen Hintergründe“ laufend zu weiteren Spenden gedrängt worden. Der laufende Prozeß habe „Hinweise auf die Beteiligung und den Kenntnisstand politischer Mandats- und Amtsträger am praktizierten System der Parteienfinanzierung in einem Umfang zutage gefördert“ wie in keinem anderen Verfahren. Offensichtlich widerstrebte es dem Gerechtigkeitsempfinden des Gerichts, die Geldgeber wie den Angeklagten weiter zu verfolgen, während die politischen Amtsträger fast ausnahmslos keine strafrechtlichen Konsequenzen mehr zu befürchten haben. Eine Einstellung des Verfahrens scheint daher dem Gericht gerechter zu sein als eine eventuelle Verurteilung Merkles.

Schuldmindernd wurde Merkle angerechnet, daß die ihm angelastete Steuerhinterziehung „keine eigennützigen Züge“ trage und er sich „nicht persönlich bereichert“ habe. Parteispenden waren für Merkle stets staatspolitisch notwendige Aufgabe gewesen. In einer ersten Stellungnahme erklärte Hans Merkle, mit seiner beabsichtigten Zustimmung zur Verfahrenseinstellung erkenne er „ausdrücklich keine Schuld an“. Anstatt schuldbewußt gleich einen Strafbefehl zu akzepieren, hatte der Exmanager im vergangenen Jahr den Prozeß selbst ins Rollen gebracht. Merkle wollte sich nicht freiwillig zum Vorbestraften machen lassen und hatte immer wieder erklärt, Politikern und Finanzbehörden seien die Umwege der Parteispenden bekannt gewesen.

Das letzte Wort hat das Justizministerium

Der Staatanwaltschaft schien über den Vorstoß des Gericht verwundert. Ein früherer Einstellungsantrag war von ihr abgelehnt worden. Gegenüber dem Südwestfunk erklärte der leitende Staatsanwalt Dieter Jung, seine Behörde werde dem Vorschlag nicht akzeptieren. Das letzte Wort hat hier aber vermutlich die Landesregierung: Das Justizministerium kann der Staatsanwaltschaft die Weisung erteilen, der Einstellung zuzustimmen.