Der Schlachthof und der Streit der Sozis

■ Für Wohnungsbau im neuen City-Gebiet Osthafen/Sachsenhausen soll der Schlachthof an den Stadtrand verlagert werden / Betroffener SPD-Ortsverein befürchtet unerträgliche Verkehrssituation

Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt a.M. (taz) - „Ich halte jede Bürgerinitiative zunächst einmal für ein Armutszeugnis für die Arbeit der politischen Parteien“ - das schrieb der amtierende Frankfurter Oberbürgermeister Volker Hauff (49) vor genau elf Jahren in seinem Buch Sprachlose Politik - Von der Schwierigkeit, nachdenklich zu sein. Damals war Hauff Forschungsminister im Kabinett Brandt. Heute wird dem Oberbürgermeister Hauff dieses Zitat von seinen eigenen Genossen im Frankfurter Stadtteil Nieder-Eschbach um die Ohren gehauen.

Die Sozialdemokraten im Norden der Mainmetropole haben sich mit der Bürgerinitiative Nieder-Eschbach solidarisiert, die seit Mitte Juni versucht, ein Großvorhaben des rot-grünen Magistrats an der Peripherie der Stadt zu verhindern: die Verlagerung des Großschlachthofes von Sachsenhausen in ihren Stadtteil Nieder-Eschbach. Auch der Ortsbeirat hat Ende Juni geschlossen gegen die Magistratspläne votiert.

Der erst vor zwei Jahren für rund 45 Millionen DM modernisierte Schlachthof und andere Industriebetriebe sollen einem Wohngebiet weichen. Unter dem Motto „Wohnen am Fluß“ sollen in den nächsten Jahren am Rande des Osthafens und auf der gegenüberliegenden Mainseite in Sachsenhausen Tausende von neuen Wohnungen entstehen. Das bringe schließlich „mehr Lebensqualität und soziale Gerechtigkeit“ in die Stadt, so die Stadtverordnete der Grünen, Carola Scholz. Noch vor dieser Stadtverordnetensitzung, auf der SPD und Grüne grünes Licht für die Weiterverfolgung der Pläne zur Bebauung des Osthafengeländes signalisierten, hatte die sozialdemokratische Römerfraktion mit dem denkbar knappsten Abstimmungsergebnis von 18:17 Stimmen die Schlachthofauslagerung nach Nieder-Eschbach befürwortet. Das Planziel der rot-grünen Koalition ist ein neues Wohnviertel im Herzen Frankfurts, mit dem die „Maindurchfließung“ für die BürgerInnen wieder nutzbar gemacht werden soll.

Erbitterung bei SPD-Ortsräten

Daß ausgerechnet die neue Stadtregierung, der eine Stärkung der Rechte der Ortsbeiräte angeblich eine „Herzensangelegenheit“ gewesen ist, nur ein Jahr nach Amtsantritt die Vorstellungen ihr Versprechen bricht, bringt den Vorsitzenden des SPD-Ortsvereins Nieder-Eschbach, Martin Bücher, in Harnisch: „Wie sollen wir den Bürgerinnen und Bürgern hier diesen Widerspruch in der SPD-Politik erklären?“ Mit der Verlagerung des Schlachthofes werde es in Nieder-Eschbach zu einer „unerträglichen Verkehrssituation“ kommen. Darüber hinaus liege der vorgesehene Standort in der für die gesamte Stadt lebenswichtigen Frischluftschneise. Bücher und die andern Sozialdemokraten vor Ort strecken deshalb in der Abwehrschlacht gegen den Schlachthof noch nicht die Waffen. Das knappe Abstimmungsergebnis in der Fraktion rechtfertige einen Antrag an den Unterbezirksvorstand, meinte Bücher. Damit soll das Thema Schlachthof zum Diskussionsgegenstand auf einem wohnungsbaupolitischen Sonderparteitag der Frankfurter SPD gemacht werden. Besonders erbittert ist man in Nieder -Eschbach auch deshalb, weil der Ortsbeirat dem Magistrat das Gemarkungsgebiet „Bonames-Ost“ zur Wohnungsbebauung angeboten hatte, denn Wohnungsneubau sei schließlich das Gebot der Stunde. Doch der Magistrat habe sich mit diesem Angebot noch nicht einmal befaßt.

Aus ganz anderen Motiven heraus hat auch die Frankfurter Union ihren Widerstand gegen das geplante neue Stadtviertel angemeldet. Die Christdemokraten lehnten die Bebauung des Osthafengeländes gestern mit dem Hinweis darauf ab, daß dort gewerbliche Arbeitsplätze vernichtet würden. Diese Einlassung der CDU konterten Sozialdemokraten und Grüne mit der Anmerkung, daß der alte CDU-Magistrat auf dem Gebiet gar das Sportlerdorf für „Olympia 2004“ bauen lassen wollte. „Erbitterten Widerstand“ haben auch die Industriebetriebe angemeldet, die dem neuen Bebauungskonzept weichen sollen. Und ganz ohne Kritik verabschiedeten sich auch die Grünen nicht aus der Parlamentssitzung um die Bebauung des Osthafengeländes. Die zur Finanzierung der Projekte ins Leben gerufene „halbprivate Entwicklungsgesellschaft“ werde man von grüner Seite aus „sehr genau beobachten und kritisch prüfen“, meinte Carola Scholz.