Palast der Träume als Platz der Arbeit

■ Hinter der Leinwand / Neue Lohntarife für Arbeitnehmer in Kinos

Wenn die Wasserträger des Kinos ihre Arbeit gut machen, merkt das Publikum kaum, daß sie da sind. VorführerInnen, KassiererInnen, PlatzanweiserInnen und SüsswarenverkäuferInnen sind das Bedienungspersonal der Traumfabrik, von deren Glamour nichts an ihnen haften bleibt. Aber der Genuß auch des großartigsten Films kann durch Unterbrechungen, ein unscharfes Bild oder schlechten Ton verdorben werden, und dann ist der Projektionist der Buhmann.

So einfach ist das aber schon lange nicht mehr! Während es früher eine Ausbildung für Filmvorführer gab, die erst nach diversen Prüfungen beendet war (und in der DDR auch jetzt noch üblich ist), legen heute fast nur noch schnell eingelernte Laien die Filme auf die Abspielteller. Zudem sind die meisten in Kinos Beschäftigten Aushilfskräfte auf 460Mark-Basis, und die Fluktuation ist groß. Denn diese Arbeit ist alles andere als attraktiv und zudem schlecht bezahlt. Viele Studenten arbeiten für ein, zwei Jahre als VorführerInnen (zumindest einer hat dabei seine gesamte Diplomarbeit geschrieben), und die anderen Arbeiten werden meist von Rentnerinnen ausgeführt, die sich oft schon seit Jahrzehnten dieses Zubrot verdienen.

Die älteste Süssigkeitenver käuferin in einem Bremer Kino ist über achtzig Jahre alt.

Während die Qualifikation der FilmeinlegerInnen immer abnahm, wurden die Anforderungen größer. In kleinen Kinos reißen sie auch die Karten ab. In den großen Kinokomplexen kann jeder Film zwar mit einem Knopfdruck angestellt werden, dafür sind die Vorführer aber gleichzeitig verantwortlich für viele (in Bremen bis zu neun) Vorführungen. Da sitzen sie dann in engen Kabinen vor Videobildschirmen, die anzeigen, was auf den Leinwänden passiert, und flitzen von Film zu Film. Genaue Überprüfung der Filmschärfe ist da unmöglich. Und auch wenn das Publikum sich beschwert, dauert es oft lange, bis sie durch den riesigen Kinokomplex zum Projektor gelaufen sind. Bei den komplizierten Geräten geht viel schief - vor einigen Tagen mußte in einem Bremer Kino ein Vorführer während des ganzen Films die Rolle mit der Hand festhalten.

Kinos sind Kleinbetriebe mit wenig Festangestellten und viel Aushilfskräften, die schnell gefeuert werden können; zudem haben die Kinobediensteten immer im Abseits der Gewerkschaftspolitik gestanden. So ist es natürlich schwer für die Bremer Verbands

gruppe Film in der IG Medien, sich gegen herrschendes Desinteresse durchzusetzen. In den einzelnen Betrieben gab es zum Teil große Schwierigkeiten, eine Bezahlung nach Tarif durchzusetzten. So wurden noch vor kurzem in einem Betrieb deutlich unter DM 10,- pro Stunde gezahlt, und bei der zähen Durchsetzung der Tarifzahlung von etwa DM 11,- wurde eine Aushilfskraft, die sich etwas zu sehr aus dem Fenster gelehnt hatte, gefeuert. Bei einer Fünftage-Woche kommen Vorführer jetzt etwa auf DM 1200.- netto.

In den anstehenden Verhandlungen mit dem Hauptverband Deutscher Filmtheater geht es in erster Linie um mehr Geld und mehr Urlaub. Aber längerfristig sollen mit den Veränderungen in Technologie und Struktur der Kinolandschaft auch gleiche Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden. Der zunehmende Streß der Kassiererinnen durch EDV - Anlagen und die ganz anderen Anforderungen in den geplanten Multiplex -Anlagen - eine Art Weserpark fürs Kino - müssen berücksichtigt werden. In einem Bremer Kino, daß seit kurzem eine zweite Abspielstätte hat, bekommt der Vorführer jetzt den gleichen Lohn für die doppelte Arbeit.

Wilfried Hippen