Für ein Jahr nach Japan

■ 40 StudentInnen der „Angewandten Weltwirtschaftssprachen“ an der Hochschule Bremen

Die jungen Leute arbeiten in Japans Hauptstadt Tokio, im chinesischen Dalian oder bei der deutsch-ägyptischen Handelskammer in Kairo. Sie sprechen Japanisch, Chinesisch, Arabisch. Das Besondere: Sie sind Studenten der Hochschule Bremen und absolvieren im Rahmen des Studiengangs „Angewandte Weltwirtschaftssprachen“ ihr Praxisjahr im Ausland.

Vier Semester lang haben die 40 Studenten und Studentinnen

-der überwiegende Teil sind Frauen - die exotischen Sprachen sowie eine weitere Fremdsprache gebüffelt, sich über Sitten und Gebräuche „ihres“ Landes informiert und zugleich Kenntnisse in Betriebswirtschaft erworben.

Dieses Studienangebot ist bundesweit einmalig, erläutert der stellvertretende Sprecher des Fachbereichs Wirtschaft, Professor Dieter Leuthold. „Für uns ist das auch Neuland, besonders das Praxisjahr.“ Schwierigkeiten gab es vor allem in Japan, für die „Pilotstudenten“ die Praktikumsplätze bei den Unternehmen zu bekommen.

Außerdem ist der Aufenthalt in Japan wesentlich teurer als in China oder den arabischen Staa

ten. Während dort etwa 10.000 Mark pro Jahr veranschlagt werden, was über das Auslands-BAFöG zu finanzieren ist, müssen pro Japan-Praktikant weitere 20.000 Mark aufgebracht werden. Hier greift die Hochschule auf Stiftungsmittel zurück.

Gelegentlich besuchen die Dozenten ihre Studenten im „Exil“. Die nächste Reise führt Leuthold nach China. Allerdings müssen auch die Lehrenden die Landessitten kennenlernen. Da hatte sich Leuthold ausgedacht, die „offiziellen“ Gastgeber mit Bremen-Anstecknadeln zu erfreuen. Doch die Etikette verlangt, ließ er sich vor der Fahrt belehren, derartige Präsente nur in einer „Fassung“ zu überreichen. Nun verpackt Leuthold die Nadeln in Heimarbeit in Schächtelchen.

Bei so fremder Lebensanschauung, so anderen Gebräuchen, ist es kein Wunder, wenn einen Praktikanten mitunter das Heimweh bekommen. Schließlich können sie angesichts der Kosten nicht einfach mal nach Hause jetten.

Hinzu kommen bisweilen Sprachprobleme. Denn gelernt haben die Studenten die jeweilige Hochsprache, die Mundarten aber klingen ihnen so fremd wie

vielleicht einem Araber das Schwäbisch. „Aber bislang haben sie alle durchgehalten“, berichtet Leuthold.

Gerade der Auslandsaufenthalt war für die meisten der jungen Frauen und Männer der besondere Reiz dieses Studiengangs. Die Berufsaussichten für die Absolventen schätzt Leuthold besonders gut ein. „Wir bilden keine Schmalspurdolmetscher oder -übersetzer aus, sondern Fachkräfte, die in der Lage sind, eigenständig deutsche und europäische Unternehmen im Ausland zu vertreten.“

Mittels solcher Fachleute lassen sich nach Ansicht Leutholds möglicherweise „Einbrüche“ anderer europäischer Unternehmen auf fremden Märkten verhindern. So sei es eben nötig zu wissen, daß europäische Artikel in Japan einen hohen Prestigewert haben. „Schokolade eines bedeutenden Herstellers, die bei uns einfach mal zwischendurch gegessen wird, gilt in Japan als Geschenkartikel.“

Die erste Studentengeneration dieses Studienganges kehrt Ende Februar 1991 nach Bremen zurück, um die letzten zwei Semester zu absolvieren. Die Vorbereitungen für das Auslandsjahr

der nächsten Gruppe laufen auf vollen Touren. Und von 1992 an umfaßt der Studiengang auch Russisch.

Dennoch zeigt sich Leuthold nicht ganz zufrieden. Er wünscht sich vom Senat des kleinsten Bundeslandes mehr Unterstützung für die Hochschule. „Bremen ist nicht nur die Universität und der Fallturm“.

Claudia Reinhardt (dpa)