„Ich bin durch und durch süchtig“

■ Interview mit dem spielsüchtigen Tom (26) / „Ich weiß, daß ich ein Leben lang Spieler bleibe“

taz: Wie ist Ihr Einstieg in das Glücksspielen verlaufen?

Tom: Das war während meiner Ausbildung in der Berufsschulzeit. Da sind einige mittags immer in die Spielhalle gegangen und haben Telespiele gemacht. Das hat mich nie gereizt, und so bin ich dann gleich an die Daddelautomaten gegangen. Dann wurde ich achtzehn und ich durfte offiziell in die Spielhalle. Zwei Tage nach meinem Geburtstag bin ich damals in Rahlstedt aus der Bahn gestiegen, direkt in die Spielhalle gegangen und hatte eine Fünfzigerserie. Das war für mich der konkrete Einstieg. Aber ich habe mich eigentlich schon mit vierzehn mit Alkohol dichtgemacht.

Was bedeutet eine Fünfziger-Serie?

Das waren damals 75 Mark, die ich gewonnen hatte. Ich war völlig fertig, keine Ahnung von Automaten gehabt, aber gewonnen. Das Ding wurde dann immer komprimierter, immer öfter, soviel ich eben von einem Lehrlingsgehalt bezahlen konnte. Vielleicht zwei, drei Mal die Woche.

Wann wurde es mehr?

Als ich dann von zu Hause ausgezogen bin, wurde es immer schlimmer. Ich habe mich von den anderen zurückgezogen, bin öfter abends in die Kneipe gegangen, habe drei Bier getrunken, aber drei Stunden lang gedaddelt. Innerhalb von drei, vier Monaten ist das dann ganz extrem geworden. Ich bin nicht mehr in die Kneipe gegangen, weil mir das peinlich war, sondern habe mein Ding gefunden: Spielhalle. Irgendwo richtig in die Ecke und natürlich täglich. Damals habe ich auch schon Schulden gemacht.

Woher kam denn das Geld?

Ich bin mit neunzehn zum Bund gegangen und habe mich für vier Jahre als Zeitsoldat verpflichtet, weil dann ja auch die Knete lief. Und die lief auch. Ich habe Kredite gekriegt ohne Ende. Geld war schon damals für mich nur noch Munition für die Automaten.

Wann haben Sie gemerkt, daß Sie süchtig waren?

Das ist mir mit ungefähr 21 Jahren aufgefallen. Ich hatte eine Freundin, mit der wollte ich wegfahren, aber dann hatte ich das Geld verspielt. Ich habe nochmal Geld von meiner Mutter gepumpt, das aber auch wieder verspielt - da mußte ich es natürlich meiner Freundin erzählen. Ich bin dann zu den „Anonymen Spielern“, war auch ganz begeistert, und vier Tage später war ich wieder in der Spielhalle. Dann habe ich auf Druck von meiner Freundin eine ambulante Therapie in Eppendorf angeleiert. Nach vier Monaten Wartezeit bin ich hin, vor der Sitzung bin ich Spielen gegangen, hinterher bin ich Spielen gegangen, und in der Therapie habe ich gesagt, ich bin schon lange trocken.

Sie haben auch einen Selbstmordversuch hinter sich?

Ja. Ich habe mich schließlich von meiner Freundin verabschiedet, sie wurde weinerlich, sie hat mich gestört. Sechs Wochen später bin ich dann aus meiner Wohnung im fünften Stock gesprungen und auf der Intensivstation wieder aufgewacht. Danach hatte ich wieder Lebensmut, ich wollte nicht mehr spielen. Das habe ich dann auch erstmal nicht mehr gemacht - bloß war ich zu dem Zeitpunkt medikamentenabhängig. Ich habe nachher bis zu einer Flasche Tramal am Tag leergemacht. Wenn ich das nicht hatte, habe ich Alkohol geschluckt. Und irgendwann war ich auch wieder in der Spielhalle. Dann habe ich in der Psychiatrie angerufen. Ich war soweit.

Halten Sie sich jetzt für geheilt?

Ich weiß für mich, daß ich ein Leben lang Spieler bleibe. Wenn ich nicht auf mich aufpasse, bin ich gefährdet. Ich bin durch und durch süchtig.

Die Fragen stellte Gabi Haas