Fünf Schwabenstreiche am Siebenendenweg

■ Im Fußballendspiel um die Deutsche A-Juniorenmeisterschaft unterlag Hertha Zehlendorf dem VfB Stuttgart mit 1:5 Der Bundesliganachwuchs aus Stuttgart beeindruckte das Publikum als Abziehbild ihrer Altvorderen

Zehlendorf. Kurz vor Spielbeginn schob der Wettergott die dunklen Regenwolken über dem Ernst-Reuter-Stadion beiseite. Andächtig blickten die Zehlendorfer Spieler nach oben, als ob sie fragten: Wird es uns gelingen, die Abwehrreihe des VfB Stuttgart genauso zu entblößen?

Es sollte ein Wunschtraum bleiben. Wie sich schon nach wenigen Minuten abzeichnete, waren alle Ähnlichkeiten mit der meteorologischen Lage rein zufällig. Der Titelverteidiger aus Schwaben gönnte den blau-weißen Einheimischen keinen Meter Boden und geizte seinerseits nicht mit exzellentem Kurzpaßspiel, das man von Jugendlichen unter 18 Jahren nicht unbedingt erwarten durfte. Bereits in der sechsten Minute zielte der württembergische Turbo Ralf Kosztovics mit dem Kopf knapp, aber freistehend neben das Zehlendorfer Tor. Wenige Sekunden später ignorierte Stuttgarts Mittelstürmer Markus Beierle eine weitere Großchance. Aufgeregt wirbelte Berlins Trainer Wolfgang Przeszding über die Tartanbahn am Siebenendenweg.

Einen derart athletisch vorgetragenen Offensivgeist sucht man bei volljährigen Spitzenkickern meist vergeblich.

In der zwölften Minute meldete sich zum ersten Mal der Stadionsprecher mit einer wichtigen Durchsage: „Es steht 1:0 für den VfB Stuttgart. Torschütze mit der Nummer neun: Markus Beierle.“ Dieser Rekurs war auch nötig, denn die meisten Herthaner hatten die Genese des Treffers wohl nicht mitbekommen. Bei Vorstopper Markus Kolbuch löste der Rückstand einen Blackout aus. Völlig unbedrängt überwand er in der 14. Minute zuerst seinen Torhüter Marco Sommer und schließlich auch die Torlinie. 2:0 für den Gast.

Wie willkürlich motivierte Brauereigäule wirkten die Südberliner in der Folgezeit, verglichen mit den auf vollen Touren laufenden Gästen. Zwei riesige Einschußchancen besaß der Südmeister noch, bevor Jens Krinke mit einem Volleyknaller vorbei an blau-weißen Statisten Erfolg hatte. „28. Minute...“, haspelte der Stadionmoderator, der Rest ging im ehrfürchtigen Raunen des Publikums unter. Nur 1.200 Fans waren erschienen - die Zurückgebliebenen müssen ihr Fehlen bereuen. Allein der Treffer von Krinke zum 3:0 war die Eintrittskarte wert.

Nun, dachten die VfB-Youngster, haben wir wohl ähnlich leichtes Spiel wie unsere Altvorderen im Kampf um den Potsdamer Platz. Jedenfalls schalteten die Renner aus der Daimler-Metropole einen Gang zurück. Prompt erwachte in der „kleinen Hertha“ Größenwahnsinn, nachdem ihr Außenstürmer Mario Block mit feinem Hirnschlag zum Anschlußtreffer einköpfen konnte (30. Minute). Aber was nun für wenige Augenblicke vor dem Stuttgarter Gehäuse brannte, war lediglich Zehlendorfer Stroh. Souverän nahm die Gastmannschaft den Zweitorevorsprung mit zum Pausentee. In den zweiten 40 Minuten kramte Trainer Przeszding mit Nevzat Kirtas einen dritten Berliner Stürmer hervor. Doch auch dessen Bemühungen prallten immer wieder an der geschickt postierten Abwehr um VfB-Nachwuchslibero Marco Santelli ab. Ihn dürfte man, ebenso wie einige seiner Teamgefährten, demnächst durchaus in Profikreisen erleben. Ruhig, cool und dennoch giftig im entscheidenden Augenblick agierten die Schwaben gegen eine nie aufsteckende Hertha-Elf.

Wie am Fließband in Untertürkheim griffen die Rädchen des VfB-Kollektivs ineinander. Nicht einmal nach der Auswechslung seines pfeilschnellen Blitzkombinierers Kosztovics erlahmte das variable Spiel. Augenfälligster Beweis war das 4:1 in der 55. Minute. Nach zwei, drei Pässen durch das Zehlendorfer Mittelfeld erhielt Wiederholungstäter Jens Krinke den Ball und donnerte ihn unhaltbar ins Berliner Gehäuse. Nachdem 03-Torwart Marco Sommer in der Endphase gleich mehrmals bravourös gegen durchgebrochene schwäbische Solisten retten mußte, setzte Einwechselspieler Thomas Schneider in der 76. Minute den Schlußpunkt zum 5:1 hinter eine ansehnliche, wenngleich einseitige Partie.

Jürgen Schulz