Vom Streik zur Konfrontation

■ Nicaraguas Regierung bricht Verhandlungen mit Gewerkschaften ergebnislos ab / Ein Toter bei Demonstration / Sandinisten mobilisieren wie zum Volksaufstand gegen Somoza

Managua/Berlin (taz) - Panchito und Chicon - etwa: der kleine und der große Franz - sind derzeit die bestgehaßten Männer Nicaraguas. Zentralbankchef Francisco Rosales („Panchito“) hat die Wirtschaftspolitik zu verantworten, die durch drei Währungsabwertungen pro Woche ständig die Preise in die Höhe treibt. Und Arbeitsminister Francisco Rosales („Chicon“) sorgt durch Massenentlassungen für zusätzlichen sozialen Zündstoff. Ein Ende Juni ausgebrochener Streik der sandinistisch dominierten Gewerkschaften hat sich zur politischen Kraftprobe entwickelt. Anders als der Fast -Generalstreik im Mai wird dieser ausdrücklich von der sandinistischen Führung unterstützt.

Die Konfrontation mit der konservativen Regierung Violeta Chamorros droht sich zu verschärfen, nachdem am Samstag ein 18jähriger Mechaniker, der während einer Protestdemonstration von bewaffneten Zivilisten angeschossen worden war, seinen Verletzungen erlag. Die Attentäter, die von einem Motorrad in die Menge gefeuert hatten, sind inzwischen gefaßt.

Am Freitag brach Arbeitsminsiter Rosales Verhandlungen mit den Gewerkschaften nach drei Stunden ab und drohte daraufhin allen Arbeitern, die am Montag nicht zum Dienst erscheinen, mit der sofortigen Entlassung.

Über Lohnerhöhungen will er mit sich reden lassen, doch das Mitspracherecht bei der Formulierung der Wirtschaftspolitik, das den Gewerkschaften nach einem Streik im Mai zugesichert worden war, soll es nicht geben. Die Anführer des Gewerkschaftsdachverbandes „Frente Nacional de Trabajadores“ (FNT) erklärten die angebotenen Lohnerhöhungen angesichts der galoppierenden Inflation für unzureichend und beharren auch auf ihren politischen Forderungen, darunter die Aufhebung des Dekrets, das die Rückgabe konfiszierter Grundstücke ermöglicht.

„Dies ist ein chirurgischer Eingriff“, verteidigte Zentralbankchef Mayorga seinen Wirtschaftsplan. „Wenn du einen Patienten im OP hast, dann erwartest du nicht, daß er tanzt. Wir wissen, daß die Operation schmerzhaft ist.“ Den Sandinisten warf er vor, den wirtschaftlichen Anpassungplan durch das Schüren der Streikbewegung sabotieren zu wollen.

Inzwischen wird der Streik auch von den Studenten und Mittelschülern tatkräftig unterstützt, denen die Regierung die Gratisfahrten gestrichen hat. In den Straßen von Managua werden Reifen verbrannt und herausgerissene Pflastersteine zu Barrikaden aufgetürmt. Die Bilder erinnern an den Volksaufstand gegen Somoza vor 11 Jahren. Sandinistische Aktivisten haben angedeutet, daß die Mobilisierungen auch diesmal am 19. Juli ihren Höhepunkt erreichen könnten, dem Tag, an dem 1979 die Diktatur stürzte.

rl