Abtreibungsrecht: Die bessere dritte Lösung

■ Ein neuer Vorschlag der Parlamentspräsidentin Süssmuth für gesamtdeutsche Abtreibungsregelung / Nach der Pflichtberatung freie Entscheidung / CDU-Politikerinnen gegen Übergangsrecht / Weder Fristen- noch Indikationslösung

Aus Bonn Tina Stadlmayer

„Etwas Besseres Drittes“ als die DDR-Fristenregelung und die BRD-Indikationslösung im Abtreibungsparagraphen 218 will CDU -Präsidentin Rita Süssmuth auf den Weg bringen. Ihre Idee: Jede Frau soll sich vor einem Schwangerschaftsabbruch beraten lassen müssen. Wenn sie sich danach für eine Abtreibung entscheidet, droht ihr keine Strafverfolgung. Eine Art Fristenlösung also, die CDU-Frauen wollen diesen Begriff jedoch nicht verwenden. Mitkämpferinnen hat Rita Süssmuth sogar in der bayerischen CSU gefunden. Strauß -Tochter Monika Hohlmeier und die Frau des Entwicklungshilfeministers, Elke Warnke, machten sich bei Gesprächen mit Parteifreundinnen in der DDR für „die bessere dritte Lösung“ stark. Doch den liberaleren Unions -Politikerinnen bläßt der Wind ins Gesicht. Sie glauben kaum mehr daran, für ihre Ziele eine Mehrheit in der Partei zu gewinnen. Eine gemeinsame Kommission mit CDU-Politikern aus der DDR soll in den kommenden Wochen die offizielle Linie festlegen. Rita Süssmuth will eine mindestens zweijährige Übergangsfrist für die beiden unterschiedlichen Gesetze in Ost und West durchsetzen. Doch die konservativen Hardliner in der Partei waren in den vergangenen Wochen nicht untätig. Immer wieder versuchten sie, ihre Kollegen in der DDR -Volkskammer davon zu überzeugen, daß eine Übergangsregelung des Teufels sei. Womöglich gebe es dann eines Tages eine liberalere Regelung als die derzeit in der BRD geltende. Und die, so die Rechten in der CDU, ermöglicht den „Mord an Millionen Babies.“

Die Agitation von rechts zeigt bereits erste Erfolge. Resigniert berichten CDU-Frauenpolitikerinnen aus der Bundestagsfraktion, selbst Kolleginnen, die noch vor kurzem für die DDR-Fristenlösung waren, wollten inzwischen von einer Übergangsregelung nichts mehr wissen.

Falls weder im Vereinigungsvertrag noch in einem Zusatzgesetz eine solche Frist festgeschrieben wird, gilt vom Zeitpunkt der Vereinigung an die Indikationslösung. Die FDP hat sich bereits als Garantin dafür angeboten, daß es soweit nicht kommt. Liberale lassen aber auch verlauten, daß „am Paragraph 218 die Deutsche Einheit nicht scheitern wird.“

Mit einer Übergangsfrist im Vereinigungsvertrag ist es außerdem längst nicht getan. Die zuständigen Ministerien sind sich immer noch nicht einig, ob eine Frau aus der Bundesrepulik, die zum Abtreiben nach Mecklenburg fährt, den Eingriff von der Krankenkasse bezahlt bekommt. Auf eine Anfrage der SPD-Frauenpolitikerin Renate Schmidt antwortete das Familienministerium mit Nein, das zuständige Sozialministerium mit Ja. Die Sozialdemokratin fordert deshalb nicht nur eine Übergangsfrist, sondern auch, daß die Bezahlung durch die Krankenkassen im Staatsvertrag festgeschrieben wird. Ebenso eine Garantie dafür, daß West -Frauen, die auf dem Gebiet der jetzigen DDR abtreiben lassen, straffrei bleiben. Justizminister Engelhard hatte noch vor einer Woche verkündet, den Frauen drohe die Strafverfolgung, wenn sie zum Abtreiben in den Osten fahren.

Am meisten beschäftigt die Politikerinnen in Ost und West jedoch die Frage: Was kommt nach der Übergangsregelung? Voraussichtlich wird es im gesamtdeutschen Parlament, auch wenn wieder CDU und FDP regieren, eine Mehrheit für die Fristenlösung geben. SPD-Rechtsexpertin Hertha Däubler -Gmelin besteht inzwischen nicht mehr auf ihrer ursprünglichen Forderung, im Staatsvertrag sollten Eckpunkte für eine Verfassungsänderung festgeschrieben werden. Sie gibt sich sicher: „Unser Vorschlag, das Abtreibungsrecht zu ändern, hält in Karlsruhe.“ Das Argument, die Fristenlösung könne schon deshalb nicht Gesetz werden, weil sie vor 10 Jahren vom Bundesverfassungsgericht verworfen wurde, sei falsch. Die SPD schlägt eine Streichung des Abtreibungsparagraphen aus dem Stafgesetz vor, kombiniert mit einem Rechtsanspruch auf Hilfen und Beratung für schwangere Frauen. Umstritten ist allerdings, ob Frauen, die nach einer bestimmten Frist abtreiben, Strafen drohen sollen.

Die Grünen wollen sich nicht darauf verlassen, daß ein liberales Abtreibungsrecht vor dem Verfassungsgericht standhält. Sie schlagen vor, das Selbstbestimmungsrecht der Frau in der Verfassung zu verankern. Wird es im gesamtdeutschen Parlament die erforderliche Zweidrittelmehrheit für das Selbstbestimmungsrecht der Frau geben? Mit den CDU-Abgeordneten aus der DDR ist wohl nicht mehr zu rechnen.