Geschlechtergipfel erneut gescheitert

■ Frauen und Männer versuchten auf gemeinsamem Kongreß, die Geschlechterfrage „politikfähig“ zu machen

Berlin (taz) - Das Abarbeiten am Mann haben die Frauen längst aufgekündigt, Knute und Nudelholz sind eingemottet. Nach Quotenbeschlüssen und Frauenförderplänen ist die Diskussion über die Männerrolle sanft entschlafen. Die Herren entfachen als letzten Ausweg nun erneut biologistische Debatten - diesmal allerdings bezogen auf sich selbst.

Weil niemand so recht weiß, wie es weitergehen soll, haben es die bewegten Frauen und Männer am Wochennende in der Westberliner TU wieder einmal mit einem gemeinsamen Kongreß versucht. „Wir stellen die Männer (in) Frage“ hieß das zweitägige Ereignis mit rund 150 TeilnehmerInnen, finanziert von Frauensenatorin Anne Klein, anknüpfend an die Bonner Anhörung der SPD-Fraktion 1989. Wie kann das Thema „soziale Unverträglichkeit normaler Männlichkeit“ politikfähig gemacht werden? Doch auch diesmal lautete das Fazit: „Die Gipfelkonferenz ist gescheitert, das voyeuristische Interesse wurde nicht befriedigt“, wie Adrienne Goehler, Kunsthochschulpräsidentin aus Hamburg meinte.

Wieso mußten die Feministeninnen überhaupt geladen werden? „Wir haben die Frauen eingeladen, um auf diesem Umweg an Männer in gehobenen Positionen, an Entscheidungträger ranzukommen“, meinte Matthias Bisinger vom Westberliner Männerzentrum „mannege“, ein Mitglied der Vorbereitungsgruppe. Zwar klappte das nicht, aber trotzdem ein Glück, denn nicht nur auf dem quotierten Abschlußpodium, auch in den einzelnen Arbeitsgruppen zeigte sich, daß ohne die Feministinnen vermutlich alles in typisch pri-VATI -sierender Larmoyanz abgesoffen wäre.

So wurde etwa am hitzigsten über die genaue Länge des Erziehungsurlaubs in Schweden diskutiert, den dort seit 15 Jahren auch Männer nehmen dürfen, aber natürlich nicht müssen, gerade 29 Prozent lassen sich dazu kurzzeitig hinreißen. Lars Jalmert von der „Ideengruppe für Fragen der Männerrolle“ der schwedischen Gleichstellungsgruppe referierte schulfunkmäßig über die Männerpolitik des Übersozialstaats. Immerhin sechzehn Männerzentren gebe es jetzt in Schweden, mit 1.000 Besuchern in drei Jahren: 30 Prozent kämen wegen „Gewaltproblemen“, 70 Prozent wegen „Trennungsproblemen“. Ansonsten setzen die Schweden auf die lieben Kleinen als Katalysator: Die „Väterlichkeit“ zu stärken, sei das beste Instrument zur Veränderung der Männerrolle.

Während in der Arbeitsgruppe „Die Tribüne“, in der der „Mann in der Politik“ zerlegt werden sollte, Einigkeit über „getrenntes Arbeiten und getrennte Strukturen“ herrschte, wurde in der AG „Die Straße“ männergruppenmäßig lamentiert. „Ich fühle mich hier auf die Anklagebank gesetzt, ich will unter Männern diskutieren.“ Das ewige Sich-beziehen-auf-die -Frau.

Am spannendsten war da noch die Auseinandersetzung über Männer auf der „Leinwand“. Denn bei der Analyse von Kunstbetrieb und Männerrollen kam zwar auch nichts substantiell Neues, aber immerhin heraus, daß „die Männlichkeit sehr viel stärker angegriffen werden muß als bisher“. Das meinte Helga Manthey vom AL-Frauenbereich und konstatierte gleichzeitig: „Die wesentliche Arbeit in meiner AG wurde von den Frauen geleistet.“

Wieder mal blieb es Adrienne Goehler, der moderierenden Soziologin und „Männerforscherin“ Halina Bendkowski, der frauenbewegten Sozialdemokratin Ingrid Holzhüter und Frauen aus dem Publikum überlassen, zuzuspitzen. „So was kann ich nur einmal im Jahr aushalten, das ist mir alles zu Lenor -gespült. Diese Gefühlsstandberichte sind doch höchstens noch als Beschimpfungskongreß zu ertragen“. Bendkowski: „Ich kann diese erweiterte Selbsterfahrung nicht ertragen.“

Sie reagierten damit auch auf die mageren Beiträge der Podiumsmänner: Ralf Fücks, Ex-Vorstandssprecher der Grünen, der SPD-Bundestagsabgeordnete Horst Peter und Matthias Bisinger („mannege“). Die blieben wieder unkonkret und schwafelten über neue Väter, emotionale Öde, die schwere Hypothek des zwanzigtausendjährigen Patriarchats, das ganzheitliche Mannsein und das quotierte Rotieren im Ortsverein. Von der „Erschließung politischer Handlungsfelder“ (Peter) war jedenfalls nichts zu hören. Da ging Altfeministin Holzhüter dazwischen: „Quatsch, die Männer haben gar keine solche Angst vor Nähe. Die Seilschaften und Netzwerke der Männer klappen doch sehr gut. Diese angeblichen Ängste und Inkompetenzen kommen ihnen gerade recht“. Auch aus dem Publikum wurde der männliche Privat-Trip kritisiert. Mann habe Analysen der Frauenbewegung „ungeprüft geklaut“. Die Parole „Das Private ist politisch“, jetzt aus Männermund, komme eben aus einer entgegengesetzten Richtung. „Mit der Familienschiene verdeckt ihr die Diskriminierungen“. Die Männer seien dabei, „die schlechten Seiten der Männlichkeit wegzudefinieren“, meinte Helga Manthey.

Da half auch das Herausreden auf Schuldgefühle und Depressionsängste nichts. Adrienne Goehler: „Wo sind die Männer, die endlich mal strategisch und rational an die Geschlechterfrage herangehen und nicht nur Defizite vorbringen?“ Das können sie sonst doch so gut.

kotte