Dartman: Jäger im Großstadtdschungel

New York City ist eine aufregende Stadt. Hier ist, wie der Kultautor Andrew Vachss weiß, für Geld alles zu haben, „was ein menschliches Hirn nur auswürgen kann“. Und das nicht nur in den dreckigen Straßen rund um Times Square und 42nd Street, dem Rotlichtbezirk des Big Apple. In der ganzen Stadt findet man die verrücktesten Spinner dieses Planeten. Erst letzten Montag habe ich an dieser Stelle vom Zodiac -Killer erzählt. Dieser Irre, der die Leute nach ihrem Tierkreiszeichen fragt und sie am nächsten Tag zusammenschießt. Der Central Park ist sein bevorzugtes Jagdrevier. Bis jetzt hat es drei Schwerverletzte und einen Toten gegeben. Die New Yorker Cops haben

die Sache immer noch nicht im Griff. Sie warten einfach auf den nächsten Anschlag.

Jetzt ist einer neuer Punk aufgetaucht und hat den Zodiac -Killer erst mal aus den Schlagzeilen vertrieben. Die Boulevardpresse des Großstadtdschungels hat ihn „Dartman“ getauft. Dieser seltsame Typ beweist sehr viel Phantasie und hat sich eine wirklich ausgefallene Methode ausgedacht, um die belebten Straßen der New Yorker Innenstadt noch unsicherer zu machen. Seit dem 26. Juni hat der Mann bereits 46 Frauen kleine, mit einer Nadel und etwas Papier selbstgebastelte Pfeile in den Rücken geblasen. Dabei bedient sich der Dartman, wie die Polizei meint, wahrscheinlich eines Strohhalms oder eines ähnlichen Gegenstandes, durch das er seine Geschosse bläst. Am Donnerstag veröffentlichten die

Cops eine Phantomzeichnung des Bläsers. Erst Stunden zuvor hatte er sein 46. Opfer attackiert: Die Frau fand einen der Pfeile in ihrer Kleidung, als sie von ihrer Mittagspause ins Büro zurückkehrte. Dem Phantombild zufolge handelt es sich bei

Dartman um einen Schwarzen mit gepflegtem Bart, und davon gibt es in New York natürlich mehr, als im Madison Square Garden Platz hätten.

Die Polizei tappt also mal wieder völlig im dunkeln. Das kann man ihr eigentlich nicht vorwerfen, denn wie jeder Krimileser weiß, ist es verdammt schwierig, einen Psycho zu fangen. Also beschränkt sich Polizeisprecher Joseph DeMartino darauf, die weibliche Bewölkerung zu bitten, Ruhe zu bewahren. Und er versichert, daß Dartman völlig harmlos ist. Er hätte bisher keines seiner Opfer angesprochen, schwere Verletzungen hat es auch keine gegeben, und die 17 bisher eingesammelten Pfeile waren mit keiner gefährlichen Substanz behandelt worden.

Aber irgendwo in New York wird sich sicher auch etwas Curare auftreiben lassen.

Karl Wegmann