„Eine Menge Lernprozesse...

■ Kreuzberger Ex-Gesundheitsstadträtin wurde nach Ost-Berlin „exportiert“

Berlin. Als erste Westberliner Bezirkspolitikerin ging die ehemalige Kreuzberger Gesundheitsstadträtin Brunhild Dathe in den Ostteil der Stadt, um in Hohenschönhausen als Stadtbezirksrätin für Gesundheit zu arbeiten.

Nominiert wurde die 39jährige parteilose Krankenschwester vom Bündnis 90. In Berlin war sie jahrelang in der autonomen Frauenbewegung aktiv, bevor sie von 1986 bis 1989 für die AL als Kreuzberger Gesundheitsstadträtin arbeitete.

taz: Was hat Sie als „Westlerin“ motiviert, in die Ostberliner Bezirkspolitik einzusteigen?

Brunhild Dathe: Als ich das erste Mal gefragt wurde, habe ich abgelehnt, weil ich der Meinung war, daß es dort genügend Experten gibt, die das selber machen können. Dann habe ich mir den Stadtbezirk und die Verhältnisse angeguckt, mit Leuten gesprochen und habe mir überlegt, daß ich mich in diesem Prozeß des Aufbaus und der Umwandlung des öffentlichen Gesundheitswesens mit den Kenntnissen des westlichen Systems - mit den Kenntnissen auch der Fehler nützlich machen kann.

Also den Menschen im Osten unter die Arme greifen...

Nee, unter die Arme greifen finde ich falsch. Insofern, weil ich selbst drüben eine Menge Lernprozesse mache, was die Verhältnisse im Osten angeht. Mein Anspruch ist, auf der fachlichen Ebene dort eine gute Arbeit zu leisten. Thematisch gesehen: Aufbau des öffentlichen Gesundheitswesens, Umbau von Polikliniken und Aufbau von Sozialstationen.

Als Parteilose haben Sie vor wenigen Monaten die AL vertreten und wurden nun vom Bündnis 90 nominiert. Bestehen da nicht gewisse Unterschiede in der politischen Haltung der beiden Gruppierungen?

Natürlich ist die alternative Szene meine politische Heimat...

Das Bündnis vertritt aber nicht nur die alternative Szene, sondern versteht sich als Gruppierung für ein breites bürgerliches Spektrum...

Das ist richtig. Insofern hatte ich auch in Kreuzberg oft einen schweren Stand, weil mir da manchmal vorgeworfen wurde, ich sei SPD-nah. Das finde ich absurd, weil ich in erster Linie an der Sache orientiert bin. Ich denke, daß ich mich beim Bündnis 90 auf der politischen Ebene ganz gut bewegen kann.

Wo liegen denn auf der Verwaltungsebene die größten Unterschiede zwischen Hohenschönhausen und Kreuzberg?

Das geht damit los, daß man anfangen muß, ein ordnungsgemäßes, rechtmäßiges Verwaltungshandeln einzuüben. Ermessensspielräume zum Beispiel sind drüben völlig unbekannt. Verwaltungshandeln hieß für die Bürger immer, daß sie abhängig waren von irgendwelchen Leuten, die Politik gemacht haben, ohne daß man Bescheide kriegt, daß man Widerspruch einlegen kann, daß es überprüfbar ist, was die Behörde macht. Das ist der erste Schritt - eine rechtliche Grundlage zu schaffen. Der zweite ist, Hierarchien abzubauen, Teamarbeit zu fördern; und der dritte Punkt, daß man Verwaltungshandeln transparent machen muß.

Gab es Schwierigkeiten von seiten der Verwaltung, sie als „Westlerin“ aufzunehmen?

Nein. Ich habe in der dortigen Stadtbezirksversammlung 106 von 118 möglichen Stimmen bekommen. Das war, nachdem ich mich überall vorgestellt und deutlich gemacht habe, daß ich keine arrogante Westlerin bin, die nur ihr „besseres“ System überstülpen will, sondern davon ausgehe, daß ich da drüben eine Menge lernen kann. Daß ich den Leuten Mut machen will, ihr Licht nicht unter den Scheffel zu stellen - denn ihr Gesundheitssystem ist zwar nicht so effektiv, aber keinesfalls schlechter, vieles besser. Und daß ich vielleicht helfen kann, Fehler zu vermeiden, die im Westen zum Teil gemacht wurden.

Interview: Martina Habersetzer