Intelligente Minen gegen die Rüstungskonversion gelegt

■ Der Westen denkt nicht an eine Umstellung der Produktion / Die Konzerne setzen auf militärische Modernisierung / Abrüstung ist Gift für Panzerbauer

Von Thomas Gesterkamp

Die Besucher einer Münchner Messe staunten über ungewöhnliche Ausstellungsobjekte. Russische Rüstungsfirmen zeigten auf der „Conversion 90“, wie man Panzer zu Planierraupen umbaut. Nicht nur im realen Sozialismus, auch in den westlichen Volkswirtschaften steht der Umbau der Rüstungsbranche an. Die Nato-Mitgliedsstaaten müßten endlich mit der Konversion beginnen, fordert eine Mitte Juni veröffentlichte Studie des Washingtoner „Worldwatch -Instituts“.

In der Bundesrepublik beschäftigt die Militärindustrie 290.000 Menschen. Indirekt hängen nach Schätzungen bis zu 1,3 Millionen Arbeitsplätze von dieser Branche ab. Zu den wichtigsten Anbietern zählen die Nürnberger Diehl-Gruppe, der Düsseldorfer Rheinmetall-Konzern, die Münchner Panzerfabrik Krauss-Maffei sowie eine ganze Reihe von Betrieben in der norddeutschen Werftindustrie. Der mit Abstand größte Produzent von Kriegsgerät ist die erst vor kurzem gegründete „Deutsche Aerospace“ (DASA). Das 63.000 Mitarbeiter zählende Unternehmen, eine Tochter von Daimler Benz, besteht aus den Firmen MBB, Dornier und MTU sowie der Telefunken System Technik.

Dieses High-Tech-Konglomerat ist maßgeblich am Projekt „Jäger 90“ beteiligt. Den Kampfbomber in Zusammenarbeit mit britischen, spanischen und italienischen Firmen bauen zu können, war für den Daimler-Benz-Konzern ein wichtiger Grund für die Großfusion mit MBB. Sechs Milliarden Mark steckt derzeit allein die Bundesrepublik in die Entwicklung des neuen Jagdflugzeugs. DASA-Chef Jürgen Schrempp wurde im Dezember letzten Jahres deutlich: Wenn das Projekt „Jäger 90“ platze, drohte der Vorstandsvorsitzende Richtung Bonn, müsse die Regierung mit Fabrikschließungen und Massenentlassungen rechnen. Edzard Reuter verlangte für den Fall des Falles Ersatz: Das absehbare Aus für den militärischen Großauftrag könne nicht von dem Unternehmen alleine aufgefangen werden. Im Klartext: Der Daimler-Chef reklamiert Subventionen.

Kaum gegründet, muß die Deutsche Aerospace über eine Umstrukturierung ihres Firmenimperiums nachdenken. Eine betriebsinterne Arbeitsgruppe soll Chancen zur Konversion ausloten. Die Rede ist von Umwelt-, Verkehrs- und Energietechnik, doch allzu viel Konkretes dringt nicht an die Öffentlichkeit. Aus gutem Grund: Den wenigsten Rüstungsbetrieben gelingt es, mit ihren Maschinen, die eben noch Panzer bauten, plötzlich Kochtöpfe oder anderes nützliches Gerät herzustellen. Militärtechnik läßt sich nicht einfach auf zivile Produkte übertragen.

Teile der Militärtechnik sind dennoch für zivile Zwecke zu gebrauchen. Das bestätigt das Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in der Studie Alternative Produktion statt Rüstung, die 1987 für die gewerkschaftliche Hans-Böckler-Stiftung erstellt wurde. Die Autoren argumentieren mit Beispielen vor allem aus der Werftindustrie. In der kriselnden Schiffsbaubranche bemühen sich schon seit Anfang der achtziger Jahre betriebliche Arbeitskreise der IG Metall, die Firmenleitungen zur Umstellung der Produktion zu bewegen. Mit wenig Erfolg: Die meisten Hersteller von Rüstungsgütern sehen keine Notwendigkeit zur Abkehr von der Waffenproduktion. Rheinmetall-Sprecher Werner Gerkrath etwa setzt auf hochmoderne, elektronische Waffentechnologie. Mit der Produktion „intelligenter Minen“, die die Panzerabwehr automatisieren sollen, hoffen die Munitionslieferanten auf anhaltend gute Geschäfte. „Mehr Wirksamkeit für weniger Waffen“, nennt das Generalleutnant a.D. Lothar Domröse, der Präsident der Clausewitz-Gesellschaft, eines Verbandes von Bundeswehroffizieren. Mit Rüstungskonversion hat die Politik auf der Bonner Hardthöhe nichts im Sinn.

Das US-Verteidigungsministerium unterhält immerhin ein „Büro für wirtschaftliche Angleichung“. Diese Einrichtung hat sich zum Ziel gesetzt, die Militärindustrie der Vereinigten Staaten auf Zeiten der Abrüstung vorzubereiten. Ähnliche Institutionen schweben den oppositionellen Sozialdemokraten jetzt auch in der Bundesrepublik vor. Der SPD-Politiker Gerd Weisskirchen möchte einen „Konversionsfonds“ bilden: Gewinne noch florierender Rüstungsbetriebe sollen den kriselnden Unternehmen helfen, die Produktion in Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen und den Gewerkschaften umzustellen: „Der Bund muß einen Teil seiner Mittel aus dem Verteidigungshaushalt in diesen Fonds umleiten.“

Die Bonner Regierung hat bisher nicht auf diesen Vorschlag reagiert. Wirtschaftsminister Helmut Haussmann begnügte sich damit, beim Münchner Ifo-Institut eine Bestandsaufnahme der „Produktion wehrtechnischer Güter in der Bundesrepublik“ in Auftrag zu geben. Denn die Branche ist nicht in gleichem Maße vom Ende des Kalten Krieges betroffen. Abrüstung schadet vor allem den Verkäufern von Heerestechnik, den Panzerbauern und Munitionsherstellern. „Alles, was mit Stahl, mit Eisen, mit alten Produktlinien zu tun hat, ist äußerst schwierig umzustellen“, glaubt der SPD -Konversionsexperte Weisskirchen: „Je höher der Anteil an neuer Technik bei militärischen Produkten ist, desto eher ist eine Chance auf Konversion gegeben.“ Bessere Möglichkeiten sieht Weisskirchen deshalb für die Betriebe der Luft- und Raumfahrttechnik, die mittlerweile nahezu vollständig in einem Unternehmen konzentriert sind - der Daimler-Tochter Deutsche Aerospace. Ein paar Umstellungsbeispiele haben die Ingenieure von MBB oder Dornier bereits erprobt - etwa fahrerlose Transportsysteme, die bisher bei der Tornado-Produktion eingesetzt wurden. Doch das bleiben Einzelfälle. Es gibt keine schlüssigen Gesamtkonzepte, wie sie die Gewerkschaften, wenn auch mit geringer Resonanz, für die Werften entwickelt haben.

Für die Unternehmen, so hat das „Worldwatch-Institut“ ermittelt, ist die Militärproduktion noch immer um ein Drittel profitabler als die Produktion ziviler Güter. Staatliche Aufträge garantieren den Absatz und offensichtlich soll sich daran nichts ändern. Für 1991 wurde der bundesdeutsche Verteidigungsetat lediglich um zwei Prozent gekürzt und bleibt mit 52,6 Milliarden DM auf Platz zwei der Staatsausgaben. Panzer zu Planierraupen? Höchstens in der Sowjetunion. Im Westen nichts Neues.