Wieder rollen Panzer der Armee nach Kosovo

■ Die Albaner im Kosovo streiken täglich eine Stunde, um mit dieser Aktion ihren Protest gegen das Vorgehen der serbischen Regierung auszudrücken / Vergeblich hoffen die Albaner auf Solidarität aus den nördlichen Republiken Jugoslawiens

Aus Zagreb Roland Hofwiler

Wann explodiert der Kosovo? Diese Frage stellten sich am Montag mehrere Kommentatoren jugoslawischer Tageszeitungen. Denn die Opposition in Kosovo hat einen Generalstreik angekündigt, nachdem am Donnerstag letzter Woche von der serbischen Führung die Auflösung des Provinzparlaments beschlossen wurde. Seit Tagen erschienen in Jugoslawien keine albanisch-sprachigen Zeitungen mehr, die albanisch -sprachigen Radio- und Fernsehsender mußten ihr Programm einstellen. Selbst das Programm aus dem benachbarten Albanien wurde gestört. Paramilitärische Einheiten patroullieren im albanischen Siedlungsgebiet Südjugoslawiens, wo eine generelle Ausgangssperre in den Nachtstunden und ein striktes Versammlungsverbot seit dem Wochenende in Kraft gesetzt wurden.

Seit Tagen schon wird zwischen neun und zehn Uhr in den Betrieben Kosovos gestreikt. Streikaufrufe werden per Mundpropaganda weitergegeben. Es spricht für die Stärke der „Demokratischen Liga Kosovos“, die nach eigenen Angaben fast eine Million Mitglieder organisiert, daß es noch nicht zu einem Ausbruch von Gewalt gekommen ist. Denn die Wut, die sich in Kosovo angesammelt hat, könnte leicht in Gegengewalt umschlagen. Besorgte Kommentatoren erinnern an die blutigen Auseinandersetzungen seit 1981, bei denen an die tausend Menschen umkamen.

Enttäuscht sind die Kosovo-Albaner auch von den demokratisch gewählten Mitte-Rechts-Regierungen in Slowenien und Kroatien. Denn diese neuen Regierungen haben aus Sicht der Albaner wenig dazu beigetragen, der „großserbischen Politik“ Hindernisse in den Weg zu stellen. Zwar wird inzwischen in vielen Tageszeitungen die „Kriegserklärung gegen die Albaner“ ('Delo‘) beklagt, zwar fordern viele das „Ende des willkürlichen Ausnahmezustands im Kosovo“ ('Vecernji list‘) - doch offiziell wird in diesen beiden Republiken nichts unternommen, um von Republikseite Einspruch zu erheben und die Minderheitsrechte der Albaner einzufordern.

Währenddessen bewegt sich eine Panzerkolonne nach der anderen nach Kosovo - angeblich wegen der Ereignisse in Tirana, so die halboffizielle Begründung. Der Haken ist nur: obwohl die jugoslawische Regierung, also selbst die Bundesregierung, die nicht mit der serbischen Regierung in Belgrad gleichzusetzen ist, nach außen hin das Tiraner Regime in Mißkredit zu bringen versucht, glaubt man in Belgrader Oppositionskreisen, es käme der Bundesregierung und der politischen Führung Serbiens nichts ungelegener als mögliche Reformen in Albanien. Denn die Demokratisierung Albaniens würde die eigene albanische Minderheit nur anspornen, ihre bürgerlichen Rechte einzuklagen.

Mit dem symbolischen „Einstundenstreik“ täglich wolle man ein Zeichen setzen, erklärt Ibrahim Rugova, der Vorsitzende der „Demokratischen Liga“ des Kosovo. In der Vergangenheit sei zwar der kleinste Streik schon zusammengeprügelt worden, man könne nun aber nicht mehr dasitzen und nichts tun.

Bisher sind die Albaner alleingelassen, konkrete Schritte wie die Kosovo-Krise ohne Gewalt beizulegen sei, werden nirgendwo in Jugoslawien diskutiert. Selbst Solidaritätsresolutionen vermißt man von Seiten der Intellektuellen in Jugoslawien. Noch immer stehen sich Panzer und Volk gegenüber. Wann der erste Schuß fällt, sehen die meisten Beobachter nur als eine Frage der Zeit an.