Schelte vor dem Wirtschaftsgipfel

■ Umweltpolitisch hat sich seit dem Pariser Gipfel bei den G-7 kaum etwas getan / Kleines Lob für Bonn / Bush vergnügt sich auf Rodeo / Gemeinsame HIlfe für die Sowjetunion weiter unklar

Aus Houston Rolf Paasch

Der Wirtschaftsgipfel im texanischen Houston hatte noch gar nicht begonnen, da gab es am Sonntag bereits schlechte Noten für die sieben führenden Industrienationen. Wie in der Schule hatten die großen Umweltorganisation den sieben Teilnehmernationen ein Zeugnis für ihre umweltpolitische Vorstellung ausgestellt, gemessen an den Versprechungen auf dem letzten Wirtschaftsgipfel in Paris. Ergebnis: keine nennenswerten Fortschritte bei den verschiedenen Umweltproblemen. Beim Test ihrer jeweiligen umweltpolitischen Maßnahmen in Sachen Treibhauseffekt und Energieeffizienz, Meeresverschmutzung, Bevölkerungswachstum, Luftverschmutzung und finanzieller Umwelthilfe für Osteuropa schnitt die Bundesrepublik mit der Note „gut“ vor Frankreich mit einem „ausreichend“ noch am besten ab. Die umweltpolitische Vorstellung von Großbritannien, Kanada, den USA und Japan, so die Umweltrichter, sei „schwach“, die Italiens „am schwächsten“. Die Noten, so schränkte Konrad von Moltke vom „World Wildlife Fund“ gleich ein, seien dabei „mit äußerstem Wohlwollen vergeben worden“.

Die Bundesrepublik schnitt in diesem Test der Umweltpolitik vor allem aufgrund ihrer ökologischen Finanzhilfen an die DDR und an andere osteuropäischen Länder und der versprochenen Reduktion des Schwefeldioxidausstoßes in den nächsten 15 Jahren um 25 Prozent relativ gut ab. Gemessen an den finanziellen und technologischen Möglichkeiten der Industrieländer, so die Kritiker der bisher einmaligen Koalition aus 150 Umweltgruppen, sei deren umweltpolitische Vorstellung jedoch völlig unbefriedigend. Schon auf dem am Sonnag in Houston zu Ende gegangenen „Alternativen Wirtschaftsgipfel“ (TOES) war heftige Kritik an der umweltpolitischen Verantwortungslosigkeit und der handelspolitischen Arroganz der sieben Industrienationen gegenüber den Ländern der „Dritten Welt“ geübt worden.

Was Gastgeber George Bush allerdings wenig zu stören schien: Er amüsierte sich auf einem texanischen Rodeo mit Modellcowboys und stilisierter Country- und Western-Musik. Hier rutschte dem Ansager dann auch vor der internationalen Journaille inmitten einer angemieteten Jubelmenge das heimliche Motto des Houstoner Wirtschaftsgipfel heraus: „Laßt uns unsere Freiheit und unser westliches Erbe feiern.“ Wozu Japans Premier Kaifu begeistert seinem Cowboyhut schwang.

Um die Bewahrung und Verbreitung dieses westlichen Erbes wird es ab Montag dann auch bei den Gipfelgesprächen gehen. Im Mittelpunkt des Medieninteresses steht dabei die Frage um mögliche Finanzhilfen für die darniederliegende sowjetische Volkswirtschaft im „Osten“. Während Kohl und Mitterrand auf ein konkretes Hilfsprogramm drängen werden, gibt sich die USA lieber bankrott. Ehe die Sowjetunion nicht ihre Rüstungsbemühungen und Finanzhilfen an Länder wie Kuba einstelle, so stellte US-Außenminister Baker klar, komme keine Direkthilfe in Frage. Schon jetzt ist zu vermuten, daß der Gipfel in dieser Frage nur ein gemeinsames symbolisches Vorgehen beschließen wird.

Viel wichtiger werden dagegen die auf diesem Gipfel vorgenommenen Weichenstellungen für das bis Jahresende abzuschließende Internationale Handels- und Zollabkommen (GATT). Laut 'ap‘ will George Bush den Konflikt zwischen den USA und der EG um die Abschaffung der Agrarsubventionen hier in Houston gelöst haben. Die für die Mehrheit der Weltbevölkerung wichtigeren Aspekte der GATT-Verhandlungen, nämlich die von den G-7-Ländern angestrebte Abschaffung protektionistischer Privilegien für die Länder der „Dritten Welt“, wird dagegen nur am Rande diskutiert werden.