SPD-Essentials für Einigungsvertrag

■ Das SPD-Präsidium einigte sich auf Forderungen für den zweiten Staatsvertrag / Gestern abend tagte der Koalitionsausschuß der DDR-Regierung / SPD will Fünf-Prozent-Hürde und Fristenlösung

Berlin (taz/dpa) - Sechs „Essentials“ bekam Richard Schröder, SPD-Unterhändler im Koalitionsausschuß der DDR -Regierung für die Verhandlungen über den zweiten Staatsvertrag, von seiner Partei mit auf den Weg. Aus dem insgesamt 12seitigen Wunschkatalog der Partei für den Einigungsvertrag mit der Bundesrepublik wählte das SPD -Präsidium für die nächste Verhandlungsrunde Punkte aus, bei denen sie auf schnellen Konsens mit CDU und DSU hofft.

Von ihrer Forderung nach gleichem Wahlrecht für die BRD und die DDR allerdings wollen die Sozialdemokraten nicht abrücken. Mit einer Sperrklausel von fünf Prozent soll in beiden Teilen Deutschlands gewählt werden.

Der Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes soll, so die Vorstellungen der Sozialdemokraten, am Tag der Wahlen zu einem gesamtdeutschen Parlament erfolgen. Damit soll dann das gemeinsame Wahlrecht in Kraft treten. Weiter bestehen die Sozialdemokraten auf Sonderregelungen für die DDR nach der Vereinigung. Dazu gehören die inzwischen auch bei der CDU-Ost umstrittene Fristenregelung beim Paragraph 218 und Regelungen zur Straßenverkehrsordnung, so zum Beispiel das Tempolimit und Extraregelungen beim Mieterschutz.

Ein zentraler Punkt ist der Länderfinanzausgleich. Die SPD will darauf bestehen, daß er schnell in Kraft tritt. Das von Bonn signalisierte Datum 1995 komme für die Sozialdemokraten nicht in Frage, hieß es gestern nach der Präsidiumssitzung. Bis dahin seien die Länder der DDR pleite.

Veränderungen soll es auch in der Verfassung geben. Die Präambel müsse geändert und der Paragraph 23 gestrichen werden. Die für den gestrigen Koalitionsausschuß beschlossenen Punkte sind nur ein kleiner, erster Teil einer „Stoffsammlung“, die die SPD-Ost in einem 12seitigen Papier niedergelegt und die das Präsidium gestern diskutiert hat.

Das Papier sieht außerdem weitreichende Veränderungen des Grundgesetzes vor, die bereits vor dem Beitritt der DDR vollzogen werden sollten. So soll zum Beispiel das Verbot von Waffenexport und das ABC-Waffenverbot aufgenommen werden. Ferner ist Berlin als Hauptstadt eines künftigen geeinigten Deutschlands vorgesehen. Eine künftige deutsche Verfassung soll durch Volksentscheid durch die Bürger bestätigt werden.

In der neuen Verfassung soll nach den Vorstellungen der Sozialdemokraten das Recht auf Arbeit, die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen, das Recht auf Berufsbildung, die Gleichsetzung von Zivil- und Wehrdienst, das Staatsziel der Erhaltung und Schaffung von Wohnraum und auch das kommunale Ausländerwahlrecht festgeschrieben werden.

Die Zahl der Abgeordneten des neuen Parlaments soll auf 648 geändert werden. 130 Abgeordnete des neuen Parlaments sollen aus dem Gebiet der heutigen DDR kommen.

Zwischen der Wahl und der Konstituierung einer gesamtdeutschen Regierung soll nach dem Willen der SPD ein „Rat der Ministerpräsidenten“ gebildet werden, der als geschäftsführende Regierung in den die DDR betreffenden Fragen handelt und den Oberbefehl über die Nationale Volksarmee hat.

Nach dem Papier soll das Gebiet der ehemaligen DDR in internationale Vereinbarungen der Bundesrepublik einbezogen werden. Bei Veränderungen an den Staatsverträgen sollen die Landtage aller Länder auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zustimmungsbedürftig sein.

Die SPD in Bonn arbeitet derzeit ebenfalls an einem Entwurf für einen Staatsvertrag. Zu den weitgehenden Vorstellungen ihrer Schwesterpartei in Ost-Berlin in Bezug auf Grundgesetzänderungen schon vor dem Beitritt wollte man sich gestern nicht äußern. Es gebe Überlegungen in diese Richtung, meinte Parteisprecherin Wibusch. Man müsse allerdings prüfen, ob nicht vieles auf parlamentarischem Wege besser zu regeln sei.

bf