DDR: Metall-Tarifkonflikt mit Streiks und Drohungen

Berlin (taz) - „Wir Arbeiter sind vernünftig“, rief die IG -Metall-Vertrauensfrau aus dem Werk für Signale und Sicherungstechnik Treptow ihren Kolleginnen und Kollegen zu. „Wir sind immer vernünftig gewesen“ - aber jetzt hat die Geduld ein Ende: Die Metallerinnen und Metaller in der DDR fordern die unverzügliche Erfüllung ihrer Forderungen in der ersten Tarifauseinandersetzung nach Wende und Währungsunion.

Rund 1.000 Metallerinnen und Metaller hatten sich gestern zu Beginn der Tarifverhandlungen in Ost-Berlin zur Protestkundgebung versammelt, um noch einmal ihre Entschlossenheit zu demonstrieren: Wenn nicht bald ein akzeptables Ergebnis zustande kommt, wird es unruhig in den Metallbetrieben der DDR. Schon am letzten Freitag hatten sich nach Angaben der Gewerkschaft rund 120.000 Beschäftigte an Warnstreiks beteiligt.

„Arbeitgeber aufgepaßt, Billiglöhne sind verhaßt“, hieß es auf einem Transparent, und die Stahlwerker aus Hennigsdorf forderten „Umschulung statt Arbeitslosigkeit“. Teilweise waren die Arbeiter mit dem Autokorso aus Potsdam angereist, auch aus Zossen war eine Delegation anwesend - alles während der Arbeitszeit.

Die IG Metall fordert 400 D-Mark Teuerungsausgleich und ein zweijähriges Kündigungsmoratorium für jene, die in Zukunft wegrationalisiert werden. Sie sollen nicht in die Arbeitslosigkeit entlassen werden, sondern durch arbeitsamtsgeförderte Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen auf zukunftsträchtige Arbeitsplätze vorbereitet werden.

Die Arbeitgeber wollen davon bislang nichts wissen. 150 D -Mark haben sie angeboten. Und wer nicht im Betrieb bleibt, für dessen Qualifikation wollen sie auch keinen Pfennig ausgeben. Am letzten Montag hatte der Verhandlungsführer des Arbeitgeberverbandes, Lothar Heinzmann, sein Mandat niedergelegt, weil er sich angeblich unter dem Druck von Warnstreikenden in seinem Betrieb zu einer Betriebsvereinbarung hatte hinreißen lassen, die wichtige Forderungen der Gewerkschaft erfüllt. Inzwischen ist er wieder in Amt und Würden. Aber offensichtlich mußten die Delegationen gestern erst einmal intern ihre weitere Marschroute abklären. Deshalb fand man sich zunächst zu getrennten Gesprächen zusammen, um dann - nach Redaktionsschluß - erst am späten Nachmittag mit den eigentlichen Verhandlungen zu beginnen. Die Aussichten auf ein abschließendes Ergebnis wurden gestern mittag eher skeptisch beurteilt.

marke