Unter meine Decke e.V.

■ Die sanfte „Überführung“ der Schwulenbewegung

Als „historische Chance für die Schwulenbewegung“ bezeichnete jüngst einer ihrer Funktionäre den Versuch, das „Treffen Berliner Schwulengruppen“ (TBS) in einen „Berliner Schwulenverband“ (BSV) zu „überführen“. Der gegenwärtig ja nicht gerade zimperliche Wind der Geschichte bläst die letzten Reste schwuler Selbstorganisation durch das Gitter deutschen Vereinsrechts, und sie verfangen sich in den festen Strukturen eines Verbandes. Das TBS hat sich selbst „überführt“ - nicht nur in einen Verband, sondern es überführte sich der eigenen, insgeheim schon verrechtlichten Struktur. Diese wird nun bloß ratifiziert. Substantiell ändert sich gar nichts - und das ist ja auch der Sinn der Sache.

Paradox indes, wie das Bestreben, alle „unter ein Dach“ nämlich das eigene - zu zerren, sehr effektiv die Spaltung vorantreibt. Ausgegrenzt wird zunächst nicht inhaltlich, sondern strukturell; aus gegrenzt werden all jene, de ren sperrige Wünsche sich nicht ver-bändigen lassen.

„Treffen Berliner Schwulengruppen - wie klingt denn das?“ hieß es selbstverächtlich auf einer der letzten TBS -Sitzungen. Es klingt nach dem, was auch das TBS nicht (mehr) war: nach offener Streitkultur; nach einer Form der Selbstorganisation, deren Stärke eben in der Schwäche besteht, einen Konsens, der ohnehin nicht existiert, auch nicht erzwingen zu müssen.

Gäbe es ein schwules Interesse - und worauf sonst sollte ein Verband sich gründen? -, so organisierte es sich kaum als „e.V.“, sondern in einer Struktur, die der Lust am Anderssein Raum ließe. Doch die Welt wird enger.

Stefan Ergeton