Amtskompatibel schwul

■ West-Berlins Schwule vereinsmeiern jetzt im Verband / Doch das Realo-Dach für die Bewegung wird nur von einer kleinen Gruppe getragen

West-Berlin. Trotz massiver Proteste gründete sich kürzlich der „Berliner Schwulenverband“ (BSV) und löst das „Treffen der Berliner Schwulengruppen“ (TBS) ab. Angetreten waren die Initiatoren mit dem Vorhaben, einen Dachverband aller Berliner Schwulengruppen zu gründen. Aber „Berlins schwule Vielfalt unter einem Dach“ - so das Motto des BSV - wird es nicht geben. Das machten viele der über hundert Schwulen, die sich zur Verbandsgeburt im Schwulenzentrum „SchwuZ“ einfanden, unmißverständlich deutlich. Ein entsprechendes Transparent blieb nicht lange hängen.

Die Idee des Landesverbands ist drei Jahre alt und war von Anfang an ein Projekt der Funktionäre etablierter Gruppen, die seit Jahren in der SPD, in Gewerkschaften, den Unis und den Kirchen, also einer heterosexuellen Öffentlichkeit, arbeiten, von der sie sich Anerkennung wünschen. So blieb die Kontroverse mit den Schwulen unausweichlich, die ihre Ideen und Vorstellungen in schwulen Projekten realisieren. Sie akzeptierten auch die Begründung nicht, daß „ein ständiger Ansprechpartner für gesellschaftliche und staatliche Organisationen“ her müsse.

„Es gibt Leute, die wollen keine Bürokratisierung, keinen Verein“, erklärte einer der Gegner. „Man kann nicht einfach gründen, ohne über Inhalte zu diskutieren“, meinten andere. Genau das sah aber die Tagesordnung vor, sollte es nach dem Gründerwillen doch lediglich um die Satzung und Vorstandswahlen gehen. Es folgte, was einige „Kampfabstimmung“ nannten. Eine knappe Mehrheit stimmte für die sofortige Gründung. Unter Protest verließen sodann einige autonome Schwule vom Ostberliner Tuntenhaus den Saal, nachdem sie eine gemeinsame Erklärung der Anwesenden von AHA, des Tuntenhauses, des SchwuZ und des FU-und TU -Schwulenreferats verlesen hatten: „Wir finden uns in diesem Verband nicht wieder.“ Auch SchwuZ-Hausdame Erika Radtke war entsetzt: „Ein Wasserkopf, der nichts tut, als sich selbst zu verwalten.“ Es sei zudem „ein Unterschied, ob 3.000 Leute vorm Rathaus stehen oder drei Vereinshanseln ins Rathaus gehen“.

Etwas mehr (24) waren es dann doch, die den Verband gründeten. Diskutiert haben sie vorher noch über die Frage öffentlicher Mitgliederversammlungen. Ergebnis: Gäste können ausgeschlossen werden. In Abwesenheit wurde Bernd Stürzenberger zum Vorsitzenden gewählt, Berlins erfolgreichster Initiator von Homo-Freizeitangeboten. Mit Schwulenchor und dem Schwulensportverein hat er zumindest Realo-Bedürfnisse erkannt. Stürzenberger sieht auch nach der peinlichen Gründung keine Notwendigkeit, ein anderes als das geplante Dachverbandsselbstverständnis zu entwickeln.

Jean Jacques Soukup