Ein Buga-Blick vom Bauschuttberg

■ Besuch im Wuhletal zwischen Marzahn und Hellersdorf / Zwischen Feldern, Fernwärmerohren, Kleingärten und Abwasser- gräben möchte Stadtrat Thurmann die Bundesgartenschau anlegen / Entscheidung erst nach Gesamtberliner Wahlen?

Ost-Berlin. In halsbrecherischem Tempo hoppelt der dunkelblaue Lada den unbefestigten Weg hinauf; über Stock und Stein und durch scharfe Haarnadelkurven erklimmt das Auto den Kienberg. Oben, in 98 Meter Höhe, entsteigt Stadtrat Clemens Thurmann seinem Dienstwagen und erklärt das Panorama: im Westen die bis zu elfstöckigen Hochhäuser von Marzahn, östlich des Bergs die niedrigeren Neubauten von Hellersdorf. Zwischen den beiden Trabantenstädten erstreckt sich das Tal der Wuhle: Hier möchte der SPD-Politiker 1995 die Bundesgartenschau anlegen, die bisher rund um den Westberliner Tiergarten vorgesehen ist. Von der Gipfelhöhe kann man den Lauf der Wuhle, die schon vor Jahren begradigt und kanalisiert wurde, freilich nicht erkennen. Was man sieht, ist ein Ablaufgraben des Klärwerks Falkenberg, und grüne Fernwärmerohre stechen häßlich ins Auge.

Bis eines Tages Buga-Besucher den Berg erklimmen, gibt es noch einiges zu tun. Den Lada können die Gartenfreunde aber jetzt schon zu Hause lassen. Heute schon steht am Südrand des Geländes die S-Bahnstation Wuhletal. Am nördlichen Ende geht das Tal in die Ahrensfelder Feldlandschaft über; dazwischen sieht man Baustellen, aber auch Reste von Auenwäldchen und Felder. Sie könnten erhalten bleiben, meint Thurmann. Bleiben werden auch die Kleingartenkolonien, die in das Tal hineingewachsen sind.

Während hier die Ostberliner Laubenpieper für den eigenen Gemüsebedarf produzierten, wurden in den benachbarten Gewächshäusern seit jeher Gurken und Tomaten für Westberliner Gemüseregale gezogen. Daneben erstreckt sich ein kleines Areal mit gepflegtem Rasen: Hier, auf 21 Hektar Fläche, fand 1987 die Berliner Gartenschau statt. „So stellen wir uns aber nicht das ganze Tal vor“, versichert Thurmanns Abteilungsleiter Büchner. Wie man sich eine Bundesgartenschau an der Wuhle genau vorzustellen hätte, ist freilich noch nicht abschließend geklärt. Auf jeden Fall wird sie groß: 377 Hektar sind eingeplant. Hier, so das Argument des Stadtrats, könnte man aber - anders als auf den bisher vorgesehenen Flächen in West-Berlin - „heute mit den Arbeiten anfangen“.

Freilich sind die Ostberliner Gartenplaner das Warten gewöhnt: Seit zehn Jahren, so erinnert sich Büchner, arbeiteten die Landschaftsplaner an Plänen für einen Park im Wuhletal. Bisher ist nur eine provisorische Begrünung von zwei Schuttbergen herausgekommen, die in den letzten Jahren aus Bodenaushub und Trümmern emporgewachsen waren. Auch der Kienberg, höchste Erhebung der Umgebung, ist auf diese Weise entstanden. Heute wachsen auf seinem Gipfel gelbe Nachtkerzen und blaue Natterzungen, Seifenkraut, Sternklee, Kronenwicke und Goldrute, außerdem Sanddorn, Robinien und Pappeln; dazwischen schaukeln große Schmetterlinge.

Die Argumente, die die Westberliner Umweltsenatorin Schreyer gegen eine Buga-Verlegung anführt, lassen die Magistratspolitiker nicht gelten. Von den Kippen könnten keine Gefahren für das Grundwasser ausgehen; hier sei wirklich nur Schutt abgeladen worden und kein giftiger Industriemüll. Trotzdem wäre es auch in Thurmanns Augen „keine Katastrophe“, wenn die Entscheidung nach den Gesamtberliner Wahlen getroffen würde. Angesichts der verhärteten Koalitionsfronten in West-Berlin sei eine „sachliche Diskussion“ zur Zeit ohnehin nur schwer möglich: „Frau Schreyers Perspektive auf die Stadtentwicklung“, lästert der Stadtrat, „scheint mir etwas 'vernagelt‘ zu sein.“

hmt