Fabrik-Knast im High-Tech-Ländle

■ Neuer Heimsheimer Knast seit 21. Mai „in Betrieb“

Wer auf der Autobahn A 8 von Karlsruhe nach Stuttgart fährt, gelangt von der Ausfahrt Heimsheim geradeaus auf eine schmale Straße, die den Mittelberg hochführt. Die Straße zieht sich kurvenreich einen Wiesenhang hoch und endet auf der Bergkuppe in einem kleinen Wäldchen, ungefähr 300 Meter von der Autobahn entfernt.

Fast unsichtbar wurde auf einer großen Lichtung mitten in diesem Wäldchen der neue Knast gebaut. Weder von der Straße noch von den Wiesen aus kann der Knastbau gesehen werden, selbst vom Wald aus ist er kaum zu entdecken. Erst wenn du auf die Lichtung trittst, stößt du plötzlich auf die Knastmauer. Der Neubau erinnert spontan an die Lage der Nazi -Konzentrationslager: Völlig einsam, gut getarnt und kein Mensch kriegt mit, was sich drinnen abspielt.

Der Heimsheimer Knast liegt 3,5 Kilometer von der Stadtmitte Heimsheims entfernt. Daß Heimsheim nicht einmal einen Bahnanschluß besitzt, unterstreicht die Abgeschiedenheit, in die der Knast gebaut wurde.

Früher stand auf der Lichtung das Betonfertigteilwerk „Wolfer und Goebe“. Nach der Pleite kaufte das Land Baden -Württemberg das Gelände und die darauf stehenden Gebäude. Das Gelände wurde der GSG 9 als Übungsgelände überlassen, die die Gebäude nach und nach sprengte. Nach der Räumung des Platzes wurde er für den Knastneubau freigegeben.

Die 750 Meter lange und sechs Meter hohe Knastmauer schließt eine Fläche von 220 auf 160 Meter ein. Das Gelände ist nahezu rechteckig und hat lediglich einen Zugang an einer Ecke der Umfassungsmauer. Die Baukosten beliefen sich auf insgesamt 100 Millionen Mark.

Der Heimsheimer Knast ist für 600 Gefangene und 350 Schließer, Verwaltungsangestellte und so weiter ausgelegt. Diese Zahlen gehen von der Belegung aller Zellen mit jeweils nur einem Gefangenen aus. Gemeinschaftszellen gibt es nicht, Stockbetten wären allerdings möglich.

Der Knast soll den Ludwigsburger Knast vollständig ersetzen. Hauptsächlich sind für den Knast Gefangene mit Haftstrafen von weniger als zwei Jahren vorgesehen. Neben seiner Funktion als Kurzstrafenknast soll in Heimsheim auch noch eine „Einweisungskommission“ untergebracht werden, um die bisher in Stuttgart-Stammheim angesiedelte Einweisungskommission zu „entlasten“. Infolgedessen ist auch ein Teil des Knasts als Transportknast vorgesehen.

Auf den ersten Blick sieht dieser Knast wie eine „ganz normale“ Fabrik aus: Schornsteine, Gebäude, Pforte... Kein Wunder, schließlich leben wir in einer Fabrikgesellschaft. Einer Gesellschaft, in der beinahe alles, jede Beziehung zwischen den Menschen, dem Kapital untergeordnet ist. Ein Leben lang sollen wir als Arbeitssklaven in ihren Fabriken für ihre Profite schuften.

Daß dieser Knast ausgerechnet in Baden-Württemberg zu finden ist, ist kein Zufall. Hier, im High-Tech-Ländle, befindet sich die größte Industrieansammlung Europas. Computer sind Kinderspielzeug, Palette und Hubwagen begegnen dir schon in der Wiege. Auch der Knast ist „Produkt des Kapitals und an jedem Produkt des Kapitals kleben Blut und Schweiß der Ausgebeuteten“. (SPK)

Um uns in geordnete Bahnen zu bringen, haben sie verschiedene Formen von Knästen erdacht und bauen lassen: Erziehungsheime, Altenheime, Psychiatrien, Behindertenwerkstätten, Flüchtlingslager, Gefängnisse. Offen sagen die Herrschenden, daß ein „gesundes“ Maß an Inhaftierten, abschreckend und einschüchternd auf alle Menschen wirkt. Selbstbestimmtes Leben paßt nicht in ihre Welt, die bestimmt ist durch Ausbeutung und das tägliche Sterben in den Fabriken, in denen nichts als Müll und Tod produziert wird. Da ist es auch keine Frage mehr, für wen dieses „Maß an Inhaftierten“ gesund ist.

Die Aufgabe, dem Kapital die Verfügbarkeit der Arbeitskraft zu sichern, obliegt dem Staat. Die breit angelegte staatliche Erfassung, Planung, Kontrolle und Repression soll jedes Ausbrechen aus diesem Arbeitszwang, jegliches Aufbegehren gegen ihre Ordnung verhindern und schon im Keim ersticken.

Der Staat macht die Gesetze im Interesse des Kapitals. Er setzt den Rahmen innerhalb dessen wir zu leben und zu arbeiten haben. Er produziert die „Kriminalität“ und die „Kriminellen“. Mit Hilfe einer Reihe von Behörden bestimmt er, wer „krank“ oder „gesund“, „normal“ oder „abnorm“, wer „kriminell“ ist. Die Richter verurteilen in diesem Sinn zum Schutz des Kapitals und der Kapitalisten.

Mit dem Knast beschäftigen sich auch eine Menge von Kritikern, deren Hauptanliegen es ist, zu untersuchen welche Strafform für welche Straftat wohl am geeignetsten ist. Sie reden davon, daß die Gefängnisse anders, „freundlicher“, gestaltet werden sollten. Sie reden von Amnestie für diese oder jene Gruppe von Gefangenen, für die es ihnen unnötig erscheint, sie im Knast zu halten. Sie reden von „Krankheit“ und „kriminellen Neigungen“, von „Behandlung“, von „Resozialisierung“, „Wiedereingliederung“ und „Täter-Opfer -Ausgleich“. Sie sind immer und überall dabei, wo es um Therapie- und Sozialstationen oder ähnliche Einrichtungen geht.

Sie sind Knastkritiker, keine Knastgegner. Sie sind Teil der Macht, reden die Sprache der Mächtigen. Sie wollen das Ungebändigte zähmen, das Unkontollierte in Bahnen lenken, uns in ihr System ein- und unterordnen. Mit diesen Knastkritikern haben wir nichts am Hut. Wir sind gegen jede Art der Selektion, jede Reform, die letztendlich nur Elend und Konkurrenz, Ausbeutung und Unterdrückung stützt.

Der Kampf gegen die Knäste und der Kampf gegen das kapitalistische System sind nicht voneinander zu trennen.

Für eine Gesellschaft ohne Knäste!