Das Übel an der Wurzel packen

■ Die Verhütung für den Mann: Nur langsam gewinnen männliche Kontrazeptiva an Boden / Hormon-Depot im Oberarm?

Heidelberg (taz) - Desinteresse bei der Pharma-Industrie, keine Gelder für die Forschung und zu wenig Probanden zur Erprobung: Es steht schlecht um die Verhütungsmittel für den Mann. Vom jährlichen Kontrazeptionsetat der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 20 Millionen Dollar werden nur 1,7 Millionen Dollar für Forschungsprojekte zur Entwicklung der hormonellen Kontrazeption für den Mann aufgewendet.

Aber immerhin: Im Münsteraner Institut für Reproduktionsmedizin wird eifrig geforscht. Dabei ist man auf Anabolhormone gestoßen, das sind aufbauende Hormone für Bodybuilder. Die wiesen zwar tatsächlich eine hohe Verhütungseffektivität auf, bewirken aber gleichzeitig einen Libido-Verlust. Die körpereigene Testosteron-Entwicklung im Hoden wird gestoppt. Durch Zusatzgaben des Langzeitgelbkörperhormons DMPA (Depot Metroxi Progesteron Acetat) kann aber die Libido reaktiviert werden. Nebenwirkungen wie Gewichtszunahmen oder Anschwellen der Brust hat der Münsteraner Professor Eberhard Nieschlag an seinen 140 Testpersonen selten vermerkt. Bei zwei Dritteln der Männer, denen das Präparat wöchentlich injiziert wurde, fanden sich keine Spermien mehr im Ejakulat. Beim restlichen Drittel war die Unfruchtbarkeit nicht sicher nachzuweisen. Die Zahl der Spermien war aber drastisch zurückgegangen.

Der Frankfurter Pro-Familia-Mitarbeiter Knut Hoffmann wünscht sich bei der Entwicklung der männlichen Kontrazeptiva dasselbe wie bei der weiblichen: weg von der Pille - hin zu Implantaten. Dabei handelt es sich um Stäbchen, die unter die Haut im Oberarm eingesetzt werden und in regelmäßigen Abständen Hormone direkt in den Blutkreislauf abstoßen. Dadurch wird die Leberschädigung, die durch die orale Einnahme auftritt, vermieden. Diese Methode setzt allerdings eine bewußt konzipierte und langfristige Familienplanung voraus. Die hormonabsetzenden Stäbchen existieren bereits in Finnland und Schweden, werden dort bisher nur bei Frauen eingesetzt und bewirken eine fünfjährige Unfruchtbarkeit. Auch die Dreimonatsspritze sieht der Pro-Familia-Mann als kommende Hormonmethode für den männlichen Organismus an, an der Leber vorbei.

„Aber das ist alles noch Zukunftsmusik und wird auch von den Medizinern als solche begriffen“, sagt Hoffmann. Kein Wunder also, daß sich auf dem 3.Internationalen Kontrazeptiva-Symposium Ende Juni in Heidelberg das Desinteresse an neuen männlichen Verhütungsmethoden durch einen „bestechend leeren Saal manifestierte“, wie Ute Sprenger, eine der wenigen weiblichen Zuhörerinnen vom Gen -ethischen Informationsdienst registrierte.

Seit 1972 unterstützt die WHO die Suche nach männlichen Kontrazeptiva. Die chinesische Baumwollpille Gossypol, die Unfruchtbarkeit durch eine beeinträchtigte Reifung der Samenzellen erzeugt, hat man mittlerweile wegen toxischer Nebenwirkungen, die zu EKG-Veränderungen führten, abgeschrieben. Eine weitere Neuheit auf dem Sektor der männlichen Verhütung ist die sogenannten Vasokklusion. Bei dieser Methode wird vorübergehend der Samenleiter blockiert. Die Spermien werden vom Hoden zur Harnröhre befördert und ein Kunststoffstöpfsel wird zur Blockade in den Samenleiter eingeführt (Iiiiiuuuaaahh - d. säzzer). Aus einem einfachen Grund könnte sich mancher Mann leichter zu dieser Umleitungsaktion entschließen: Anders als bei der bislang praktizierten Unterbindung des Samenleiters (Vasektomie) ist dieser Vorgang wieder umkehrbar.

Die bei weitem „natürlichste“ Verhütungsmethode für ihn bleiben bis auf weiteres die Kondome. Auch hier gibt es Neuheiten, was die Beschaffenheit und damit auch die Sicherheit angeht. Ende dieses Jahres wird es erstmals DIN -Normen für Kondome geben. Nur noch aus Naturstoffen sollen sie bestehen (Jute statt Plastik? - d.s.), Haltbarkeit und Keimfreiheit werden ausdrücklich geprüft. Jetzt wird amtlich werden, was bei Produkten aus der Bundesrepublik seit Ende der 70er Jahre bereits zu 90 Prozent Usus ist. Das Vorhaben, nach japanischem Vorbild den Kondomen Plastik beizumischen, hat man bereits aufgegeben: Die sogenannte Gefühlsechtheit, also die Wasser- und Wärmeaufnahme des Stoffes, wäre damit passe.

Von den Din-Normen erhofft man sich auch ein positiveres Image für das Kondom. Der Stellenwert als Verhütungsmethode soll in der Akzeptanz steigen. Lange ist der Gummi hauptsächlich als Infektionsverhinderer gelaufen. Das hatte zur Folge, daß Jugendliche häufig der Ansicht waren: „Ich brauche kein Kondom nehmen, ich hab ja kein HIV oder kein Aids.“ Der Frankfurter Verhütungsspezialist Knut Hoffmann ist sowieso der Ansicht, daß die Einführung männlicher Verhütungsmittel nicht nur Sache der Forschung sein kann, sondern auch der „Aufklärung in der Bevölkerung“. Und das, so glaubt Hoffmann, können nur die Medien leisten, indem sie „das mangelnde Interesse der meist männlichen Gynäkologen durch verstärkte Aufmerksamkeit ausgleichen“.

Gitta Düperthal