: Gewalt gegen ethnische Minderheiten
■ „amnesty international„-Jahresbericht über Menschenrechtsverletzungen / Mitarbeiterzuwachs in Osteuropa verzeichnet
Berlin (taz) - Auch im Jahr des Zusammenbruchs so vieler repressiver Regime in Osteuropa wurde weitergefoltert. Vor allem Angehörige ethnischer Minderheiten und politische Gefangene waren 1989/90 die Opfer von gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die von Inhaftierung und Folterung bis zum Mord an mehreren tausend Menschen reichten. In ihrem gestern veröffentlichten Jahresbericht liefert die Hilfsorganisation amnesty international (ai) eine erschreckende Datensammlung über den Umgang staatlicher Sicherheitskräfte mit den fundamentalen Menschenrechten. Schon in der Einleitung werden Verstöße gegen die Menschenrechte in 138 Ländern aufgelistet.
Der mehr als 500seitige Horrorbericht stellt fest: „Ethnische Minderheiten werden vielfach schlechter behandelt als andere. Ihre Rechte und ihr Leben gelten als weniger wert.“ Ganze Dorfgemeinschaften wurden nach Angaben von ai im vergangenen Jahr allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit zusammengetrieben und erschossen. Vorkämpfer für die Rechte von Urbevölkerungen „verschwanden“ nach heimlichen Festnahmen, und etliche Personen, die mit separatistischen Forderungen an die Öffentlichkeit getreten waren, büßten dafür mit Haft und Folter.
Oft wollten Minderheiten ihre Forderungen nach Autonomie oder Bewahrung ihrer Kultur zwar mit Gewalt durchsetzen, meint ai, dies dürfen „die Regierungen aber nicht als Entschuldigung dafür ansehen, daß sie deren Grundrechte verletzten.“ Doch tatsächlich sehen die Behörden im Kampf gegen bewaffnete Oppositionsgruppen vielfach die ganze ethnische Bevölkerungsgruppe als Feind an, erläutert ai.
Im Jahresbericht verweist ai auf schwere Menschenrechtsverletzungen im ostafrikanischen Somali, wo Hundertausende von Zivilisten - meist Angehörige des Issaq -Stammes - vor den Regierungsstreitkräften in Nachbarländer flohen. Auch in Äthiopien und Sudan wurden nach Angaben von ai viele Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Bevölkerungsgruppen durch Regierungsorgane oder Milizen in Haft genommen, mißhandelt oder umgebracht.
Indianer in Brasilien und Guatemala wurden ermordet, als sie für ihre Rechte eintraten, aber effektive Nachforschungen der Behörden nach den Tätern blieben aus, berichtet die Organisation. In Sri Lanka verschwanden Tausende spurlos, aus Birma (heute: Myanmar) wurden Tötungen und Folter von Angehörigen der Bergvölker gemeldet. Zu den Gruppen, die besonders schweren Verfolgungen ausgesetzt sind, zählt ai die Kurden (siehe Kasten).
Aber auch in den westlichen Industrienationen hat ai zahlreiche Menschenrechtsverletzungen gefunden: Die Todesstrafe in den USA, der wesentlich mehr Schwarze als Weiße zum Opfer fallen, die Isolationshaft in der BRD, die schwerwiegende psychische und physische Schäden hervorruft, und Mißhandlungen im österreichischen Polizeigewahrsam sind nur einige Beispiele.
Verbesserungen der Menschenrechtssituation sieht ai in mehreren osteuropäischen Ländern. Dort hat die regierungsunabhängige Menschenrechtsorganisation mit derzeit 700.000 Mitgliedern in den letzten Monaten auch zahlreiche neue Mitarbeiter gefunden.
dora
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