Grüne Realos setzen auf Harmonie

■ Joschka Fischer und Hubert Kleinert sehen im deutschen Einigungsprozeß die größte Gefahr

Von Ferdos Forudostan

Bonn (taz) - Was machen grüne Strömungsmatadore nachdem die Partei- wie Parlamentsarbeit getan ist und bevor sie in die Sommerpause entfleuchen? „Pressegespräche“ in Bonn. So titulierten Joschka Fischer und Hubert Kleinert auf der einen, Ralf Fücks auf der anderen Seite die Ankündigung zu zwei Referaten, hintereinander gehalten vor Bonner JournalistInnen am späten Montag nachmittag.

Neu war es nicht, was die Realos Fischer und Kleinert und das Aufbruch-Mitglied Fücks die Presse über ihre gegensätzlichen Strategien lehren wollten. Ungewohnt war wie sie sie präsentierten. Zwar hatten sich die Realos schon nach dem für sie erfolglosen Hagener Parteitag auf einen Burgfrieden mit anderen Strömungen hinbewegt. Was dies für die Arbeit der Grünen vor der anstehenden gesamtdeutschen Wahl bedeuten kann, dafür sollte der Montag nachmittag wohl einen kleinen Eindruck liefern. Fischer und Kleinert waren voll des Lobes für den - aus ihrer Perspektive linken - neuen grünen Bundesvorstand. Bisher, so Kleinert, habe er „alle Probleme gut gelöst“, sei er „auf dem richtigen Kurs“ und bekomme „alle Unterstützung, die er braucht“, versprach Joschka Fischer. Ihre neue, weiche Linie begründete Hubert Kleinert so: Nachdem auf dem Hagener Parteitag klar geworden sei, daß man für eine realpolitische Linie keine Mehrheit bekomme, habe nun eine starke grüne Fraktion im nächsten Parlament absolute Priorität. Und Joschka Fischer setzte noch eins metaphorisch drauf: Gegen einen innerparteilichen Konfrontationskurs habe man sich in einer Situation entschlossen, wo die Wiedervereinigung eine Klippe sein könne, über die es hinwegzukommen gelte, in der sie sich aber auch zu alles verschlingenden „Niagarafällen“ entwickeln könne. Bestehen die Grünen die von Fischer und Kleinert konstatierte „Zerreißprobe“ Eingungsprozeß, so haben sie nach Ansicht der Realos auch bei ungünstigen Wahlrechtsregelungen alle Chancen im gesamtdeutschen Parlament vertreten zu sein - am liebsten natürlich an der Seite eines SPD-Kanzlers Lafontaine. Mit dem hat man nämlich, laut Hubert Kleinert „große Gemeinsamkeiten“, er sei „die geignete Person eine rot-grüne Wende nach außen sichtbar zu machen“.

Auf ganz anderes setzte kurz nach den Hessen-Realos in einem eigenen „Pressegespräch“ das Aufbruch-Mitglied Ralf Fücks. Das von Kleinert und Fischer angemahnte Stillhalteabkommen findet er „kläglich“. Es sei Ausdruck eines „Wegduckens“. „Kontroverse“, „Dialog“, „Debatte“, solche Begriffe prägen den Weg, den er für einzig gangbar hält. Geführt werden sollen die grundsätzlichen Auseinandersetzungen vor allem mit Hilfe der Bürgerrechtsbewegungen aus der DDR.