Endlager in der DDR als neuer Notausgang?

Berlin (taz) - Will die bundesdeutsche Atomindustrie ihren Atommüll in der DDR loswerden? Die ungewisse Zukunft des Atommüll-Endlagers Morsleben im Bezirk Magdeburg hat jetzt zu neuen Spekulationen geführt. Die 'Hannoversche Allgemeine Zeitung‘ berichtete gestern, es bestehe bei den BRD -Stromkonzernen „großes Interesse an einer Endlagerung des mittel und schwach aktiven Abfalls aus Kernkraftwerken im bestehenden Endlager in der DDR“.

Anlaß für die Meldung sind die derzeit laufenden Verhandlungen über die Übernahme der DDR-Energiewirtschaft durch die drei großen Stromkonzerne RWE, Bayernwerke und PreussenElektra. In den ersten Vertragsentwürfen war vorgesehen, daß die bundesdeutschen Energiekonzerne unter anderem für die „Geschäftsbesorgung“ des Atomenergiekombinats Bruno Leuschner zuständig sind, also das Kraftwerk - mit Ausnahme der maroden Blöcke I bis IV übernehmen. Der entscheidende Punkt: Zu dem Kraftwerk gehört das Endlager Morsleben.

Alle drei Energiekonzerne wollten gestern gegenüber der taz die Übernahmepläne von Morsleben nicht bestätigen. Morsleben sei „nicht Gegenstand der Verhandlungen“, sagte Bayernwerk -Sprecher Mühlberger. Das DDR-Endlager werde in den bisherigen Vertragsentwürfen „mit keinem Wort genannt“. Derzeit seien die Verhandlungen aber noch im Gange, und man befinde sich in einem „völlig offenen Rennen“.

PreussenElektra-Sprecher Rühland sagte, grundsätzlich sei der Bund für die Endlagerung zuständig. In einem vereinigten Deutschland könne Morsleben „als Ergänzung“ für die Endlagerung in Betracht kommen, allerdings seien dann nicht nur drei, sondern „alle Kernkraftwerke betreibenden Gesellschaften der Bundesrepublik daran interessiert“. RWE -Sprecher Schüren wollte keine Einzelheiten zu den laufenden Verhandlungen mitteilen.

Umweltminister Töpfer sieht gegenwärtig „keinen Entscheidungsbedarf für Morsleben“. Seine Sprecherin Marlene Mühe sagte gestern der taz, daß unabhängig von Morsleben die beiden Endlager Schacht Konrad und Gorleben weiterverfolgt werden. Frau Mühe gestand allerdings zu, hier sei nach dem Regierungswechsel in Niedersachsen eine „schwierige Situation“ entstanden. Der Frage, was mit Morsleben denn nun passieren soll, wich das Ministerium gestern aus: „Diese Frage stellt sich für uns nicht“, sagte Mühe.

Das Endlager Morsleben ist seit 1978 in Betrieb. Die bestehende Genehmigung gilt laut Staatsvertrag auch in einem vereinten Deutschland für die Dauer von bis zu zehn Jahren. Damit wäre Morsleben das erste und bislang einzige betriebsfähige Atommüll-Endlager des neuen Deutschland.

Manfred Kriener