Köpenicker Konsum-Kaufhallen- Preiskalkulationskarussell

■ Die Geschichte von der überteuerten Schrippe / Alle sehen es ein, doch keiner ist schuld / SPD-Volkskammerabgeordnete will unter Umständen eine Hausfrauendemo organisieren

Köpenick. Die Kundin in der Backwarenabteilung der Konsum -Kaufhalle des Neubauviertels „Allende II“ ist entsetzt: „Dreißig Pfennig für eine Schrippe - das ist ja der blanke Wucher!“ Andere KundInnen stimmen ihr zu: „Ein Brot für fast vier Mark! Wer soll denn das bezahlen?“

Die SPD-Volkskammerabgeordnete Luise Morgenstern, seit Jahren hier zu Hause, teilt die Empörung: „Das geht doch nicht an, daß der Konsum seine Monopolstellung im Wohngebiet ausnutzt.“ Die resolute Frau versucht erst gar nicht, ihre Erregung zu verbergen. „Und wenn ich hier eine Hausfrauendemonstration veranstalte - aber so geht das nicht!“ Für sie seien auch die Pfennigprobleme der kleinen Leute eine politische Sache: „Schließlich habe ich auch Kinder großgezogen und weiß, wie gerade das tägliche Brot ins Geld gehen kann.“

Die Verkäuferin hinter dem Ladentisch zuckt hilflos mit den Schultern. Sie hat die Preise nicht gemacht und kann den Ärger der Kunden verstehen. Ebenso Kaufhallenleiter Seidenberg: „Die Kaufhallenbäckerei wird nicht von uns bewirtschaftet, sie gehört zur 'PGH Bäcker Köpenick‘. Wir bekommen von ihr das Brötchen für zwanzig Pfennig verkauft.“

Der stellvertretende Vorsitzende der „Produktionsgenossenschaft des Handwerks Bäcker Köpenick“, Horst Hoffmann, weist jede Schuld von sich. Im Gegenteil, so teuer findet er seine Produkte gar nicht: „Wir sind da eigentlich noch bescheiden rangegangen. Bei dem gegenwärtigen Abgabepreis von 20 Pfennig für jede Schrippe machen wir pro 3.000 Stück nur einen Gewinn von höchstens 14 bis 15 DM. Wir wissen ja, daß die Leute alle kein Geld haben, aber nach Wegfall der Subventionen müssen wir darauf achten, rentabel zu arbeiten.“ Auf die Frage, wie er es sich erkläre, daß selbst in West-Berlin - wo ja bekanntlich allein die Lohnkosten fast dreimal so hoch sind wie in Ost -Berlin - die Brötchenpreise sich in erschwinglichen Grenzen halten, antwortet er: „Na, das ist doch ganz klar. Die arbeiten mit einer Technik, von der wir nur träumen können. Das fängt die Lohnkosten doch allemal wieder auf.

Auch ist gerade diese Kaufhallenbäckerei für uns ein absolute Zuschußobjekt. Mangels Personal können wir sie nicht dreischichtig auslasten, die Miet- und Energiekosten hingegen fressen uns regelrecht auf. Dieses Projekt wurde uns seinerzeit mittels Beschluß von oben aufgezwungen. Jetzt, nachdem wir unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten arbeiten müssen, würden wir sie lieber heute als morgen wieder loswerden. Außerdem - der Konsum hat unser Angebot ja akzeptiert.“ Wenn der dann auf seine Produkte dreißig Prozent draufschlage, könne man das nicht seiner PGH anlasten.

Das nun wiederum sieht Frau Manteufel vom Konsum-Vorstand in Ost-Berlin ganz anders. Nein, auch der Konsum trage keine Verantwortung für die überhöhten Preise: „Hören Sie bloß auf“, schimpft sie unvermittelt los, „jetzt soll wieder der Handel daran schuld sein!

Erstens sind wir verpflichtet, sieben Prozent Mehrwertsteuer auf jede Ware draufzuschlagen, und zweitens ist ja auch eine gewisse Handelsspanne notwendig schließlich haben auch wir Unkosten. Die Löhne und Gehälter unserer Mitarbeiter zum Beispiel, Instandhaltungskosten unserer Einrichtungen und anderes mehr. Und was das Preisangebot der PGH angeht: Wir haben von nirgends ein besseres erhalten.“ Einen entsprechenden Vertrag mit Westberliner Bäckereien möchte sie schon aus Gründen des Erhalts von DDR-Arbeitsplätzen nicht abschließen. Überhaupt

-„wenn es den Leuten bei uns zu teuer ist, können sie doch woanders hingehen!“ Den Einwand, das schon aus objektiven Gründen nicht jeder nach Kreuzberg oder Neukölln zum Einkaufen fahren kann, läßt sie nicht gelten: „Warum denn nicht?“

Langsam beruhigt sie sich, der ungewohnte Streß der letzten Tage scheint auch an ihr nicht spurlos vorübergegangen zu sein. „Man kann doch nicht schon nach einer Woche Marktwirtschaft die absolute Perfektion von uns verlangen. Das ist doch alles noch sehr neu für uns.“ Dann holt sie eine Preisliste der Großbäckerei Heinersdorf aus ihrem Schreibtisch. Aus Kapazitätsgründen könne dieser Betrieb vorerst nur die Stadtbezirke Hellersdorf, Weißensee und Pankow versorgen. Doch unterbreite er dem Konsum wesentlich günstigere Angebote als die PGH in Köpenick. So bekäme der Konsum von diesem Betrieb eine Schrippe für ganze 11 Pfennig angeboten, die dann für 18 Pfennig weiterverkauft werden könne. Ein Hoffnungsschimmer für „Allende II“?

Olaf Kampmann