amnesty international rügt Rot-Grün

■ ai: Zugang zu fairen Asylverfahren nicht mehr garantiert / Senat: Lösungsvorschläge nächste Woche?

West-Berlin. Die skandalösen Zustände vor der Asylstelle der Ausländerbehörde am Friedrich-Krause-Ufer haben nun auch die Menschenrechtsorganisation amnesty international auf den Plan gerufen. Was sich in den letzten Wochen vor den Toren der Asylstelle abgespielt hat (siehe taz von gestern), garantiert nach den Worten von ai-Sprecher Karsten Lüthke nicht mehr den Zugang zu einem fairen Asylverfahren. „Darauf hat jeder, der einen Flüchtlingsstatus geltend macht, Anspruch - und zwar unter menschenwürdigen Bedingungen.“ Das tage- und nächtelange Warten unter freiem Himmel ohne Verpflegung oder ausreichend sanitäre Anlagen, um überhaupt in die Behörde hineinzukommen, habe in einigen Fällen bereits dazu geführt, daß Flüchtlinge völlig demoralisiert und entnervt ihren Asylantrag zurückgezogen hätten.

Im Senat ist man bis gestern nicht über das Überprüfen von Verbesserungsvorschlägen hinausgekommen. Geplant sind nach Angaben der Pressesprecherin der Innenverwaltung, Grobecker, „kurzfristige Gespräche mit der Sozialverwaltung, um kurzfristige Lösungen zu finden“. Auf die Frage, warum nicht schon längst Abhilfe geschaffen worden sei, erklärte Grobecker: „Man ist da etwas überfordert.“

Keine Chancen hätte nach Auffassung des ausländerpolitischen Sprechers der Alternativen Liste, Hartwig Berger, eine Regierung, die ihrem Wahlvolk das zumuten würde, was Flüchtlinge seit Wochen am Friedrich -Krause-Ufer durchmachen müssen. „Hier wird in bürokratischer Unerbittlichkeit Rassismus praktiziert.“ Berger forderte erneut, Asylanträge zukünftig in den Wohnheimen und nicht in der Ausländerbehörde entgegenzunehmen - eine Lösung, die auch für den ausländerpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Eckhardt Barthel, naheliegend ist. Übersiedler wären solchen Zuständen wohl nie ausgesetzt worden, räumte Barthel ein. „Da wäre eine ganz andere Lobby da.“

Daß Flüchtlinge durch die Berliner Asylpraxis abgeschreckt und demoralisiert werden, bestätigt auch der Kreuzberger Rechtsanwalt Lutz Weber. Weber, der mehrere Asylantragsteller anwaltlich vertritt, kritisiert vor allem die Verteilungspraxis des Bundesamtes für die Anerkennung von politischen Flüchtlingen. Da Berlin nach einem Länderschlüssel lediglich 2,6 Prozent aller Asylantragsteller für das endgültige Verfahren aufnehmen muß, werden die meisten Flüchtlinge dann nach Westdeutschland weitergeschickt - meist oft ohne Rücksicht auf ihre familiären Bindungen.

„Da wird dann der Ehemann nach Bayern verteilt und die Ehefrau nach Baden-Württemberg.“ Die Ausländerbehörde habe zwar die Möglichkeit, die Zuweisungsentscheidung zu ändern, „sie tut es bloß nicht“.

Andrea Böhm