Verfassung verabschiedet

■ Breite Zustimmung aller Fraktionen zur neuen Ostberliner Verfassung / CDU-Fraktion wollte den Passus über die Abtreibungsregelung ändern

Ost-Berlin. Mit großer Mehrheit und unter breiter Zustimmung aller Fraktionen wurde gestern im Roten Rathaus eine neue Verfassung für Ost-Berlin beschlossen. Sie tritt noch in den nächsten Tagen in Kraft und soll mindestens bis zur konstituierenden Sitzung eines Gesamtberliner Parlaments im Dezember gültig sein.

Um bestimmte Passagen der Verfassung, die in vielen Bereichen über die Westberliner hinausgeht, hatte es in den vergangenen Tagen Auseinandersetzungen zwischen den Regierungsparteien CDU und SPD gegeben. Noch in der vergangenen Woche hatte der Ostberliner CDU-Chef Eberhard Engler dafür plädiert, lediglich ein Organisationsstatut für die Arbeit der Stadtverordnetenversammlung zu verabschieden. Die Konservativen hatten Bedenken in puncto Ausländerwahlrecht, Beteiligung von Bürgerinitiativen an der politischen Willensbildung in parlamentarischen Ausschüssen sowie verfassungsmäßige Festschreibung des Rechtes auf Abtreibung per Fristenlösung geltend gemacht. Nach Verhandlungen im Ostberliner Koalitionsausschuß nahm die CDU die beiden erstgenannten Punkte wieder zurück, brachte aber gestern während der zweiten Lesung der Verfassung noch einen Änderungsantrag in Sachen Abtreibung ein.

Neben dem Recht der Frau auf Selbstbestimmung entsprechend einer Fristenlösung wollten die Christdemokraten auch einen Passus über „das ungeborene Leben“ festgeschrieben haben, um dann - ungeborenes Leben contra Selbstbestimmung der Frau zu einer „konfliktgerechten Lösung“ zu kommen. „Das ist die Einführung des Paragraphen 218 durch die Hintertür!“ kritisierte eine Abgeordnete vom Bündnis 90, auch die SPD und die PDS wandten sich gegen den Änderungsvorschlag. Der Änderungsantrag fand keine Mehrheit.

Die Ostberliner Verfassung, die als „Verhandlungsmasse“ in den Einigungsprozeß der Stadthälften eingebracht werden soll, sieht auch ein Landeswahlrecht für in Berlin lebende Ausländer, Rede- und Antragsrecht von Bürgerinitiativen in den Ausschüssen der Stadtverordnetenversammlung sowie die Möglichkeit von Volksentscheiden vor. Umweltschutz ist als Verfassungsauftrag festgeschrieben. SPD-Fraktionschef Knut Herbst betonte, daß „ein großer Teil dieser modernen Verfassung“ auch in der neuen Gesamtberliner Verfassung festgeschrieben werden soll. Diese Gesamtberliner Verfassung wird zur Zeit von Abgeordneten aus Ost- und West-Berlin erarbeitet. Die noch in der letzten Woche von der CDU geäußerten Bedenken gegen bestimmte Punkte gehen offensichtlich auf eine Intervention des Westberliner CDU -Landesvorsitzenden Eberhard Diepgen zurück. Die Ost-SPD hatte aber klargemacht, daß sie eine ablehnende Haltung der CDU zur Verfassung als Koalitionsbruch werten würde.

ccm