Joint-venture-Boom in Ungarn

■ Größte Freiheiten für das Auslandskapital / Mißbrauch ist Tür und Tor geöffnet / Im vergangenen Jahr flossen 600 Millionen US-Dollar nach Ungarn und 500 Millionen wieder raus / Auch Inländer bringen auf diesem Weg Kapital ins Ausland

Aus Budapest Tibor Fenyi

Eduscho-Boom in Budapest: Hübsche Mädchen verteilen Aufkleber, die auf den Wagen, auf die Handtasche und Gott weiß wohin noch geklebt werden sollen, und wer am Montag dem Vertreter der Firma begegnet und die Zauberformel Eduscho spricht, der bekommt eine Kafeebohne aus purem Gold. Sehr wahrscheinlich will das österreichisch-ungarische Joint -venture, das für den Vertrieb dieser Kaffeesorte in Ungarn zustande gebracht wurde, eine Goldmine ausbeuten; Die Chancen für das Geschäft sind groß.

Das Zustandebringen von Joint-ventures zwischen Ost und West ist in Ungarn heute tatsächlich ein gutes Geschäft, wie es auch aus den Statistiken hervorgeht. 1981 gab es nur einen einzigen Zusammenschluß dieser Art mit einer ausländischen Beteiligung in der Höhe von 60 Mio. Forint (um 19 Mio. US-Dollar); 1989, nach der Verabschiedung des neuen Gesetzes für Joint-ventures, gab es bereits 800, das eingebrachte ausländische Kapital belief sich in Devisen auf 3,5 Milliarden Forint, ca. eine halbe Milliarde Dollar. Ein richtiger Boom ist jedoch in diesem Jahr eingetreten. In Ungarn gibt es derzeit bereits etwa 1.500 Joint-ventures.

Die ausländischen Partner kommen aus insgesamt 40 Ländern, das angelegte Kapital wird auf 600 Millionen Dollar geschätzt. Die Rangliste der ausländischen Investoren führt Österreich mit etwa 40 Mio. Dollar an, Firmen aus der BRD stehen mit 32 Mio. Dollar an zweiter Stelle und überrunden somit die USA (18 Mio. Dollar) und Japan (11 Mio. Dollar). Österreichs Unternehmen beteiligten sich am Ende des Vorjahres an 306 Joint-ventures in Ungarn, an 296 sind westdeutsche Unternehmen beteiligt, an 66 die Schweiz und an 62 die USA. Den Investoren aus dem Ausland garantieren die Magyaren vielerlei Vergünstigungen. Die sympathischte von diesen dürfte sein, daß - sofern in bestimmte Branchen investiert wird und der Anteil mehr als 20 Prozent beträgt, für die Dauer von fünf Jahren vollständige Steuerfreiheit garantiert wird. „Damit haben wir uns wahrscheinlich einigermaßen übernommen“, sagt Frau Klara Fogarasi, Abteilungsleiterin im brandneuen Ministerium für Internationale Kontakte. „Im vergangenen Jahr haben ausländische Investoren ein Kapital in der Höhe von 600 Mio US-Dollar ins Land gebracht und 500 Millionen als Profit aus dem Land ausgeführt.“ Frau Fogarasi hält es für durchaus möglich, daß die Steuerfreiheit in naher Zukunft beschränkt wird. Schnell wächst die Zahl der neuen Firmen an innerhalb eines halben Jahres hat sich ihre Zahl verdoppelt

-doch sind die Ungarn der Meinung, in der Realität seien die Dinge nicht ganz so schön. Die Größe des in diese oder jene Firma investierten ausländischen Kapitalanteils erscheint ihnen zu gering, und sie sind auch davon nicht ganz begeistert, daß die Mehrheit der Joint-ventures nicht in der Produktion, sondern im Bereich von Dienstleistungen und im Handel zustande gekommen sind. „Daran wollen wir nicht rütteln, daß Firmen heute bereits fast unbürokratisch zustande gebracht werden können, besonders dann, wenn der westliche Kapitalanteil unterhalb der 50 Prozent-Grenze bleibt“, sagt Frau Fogarasi. Insoweit tragen die Firmen mit ausländischem Kapitalanteil unbedingt zur Verbesserung der problematischen ungarischen Wirtschaftsstruktur bei, da die meisten von ihnen kleine Firmen sind, die neben den zentralisierten staatlichen Riesenunternehmen als Mangelware gelten.

Gleichzeitig nehmen so manche ungarischen Staatsbürger die Joint-ventures als einfache Möglichkeit war, ihr Kapital nach West zu verlegen: einen Partner aus dem Westen engagieren sie nur dem Namen nach, um den Profit leichter außer Landes schaffen zu können - und gleichzeitig Maschinen, Rohmaterialien, Autos usw. zollfrei einzuführen. Die Zollbehörde legt dagegen heftigen Protest ein, weil die auf diese Art und Weise importierten Güter innerhalb recht kurzer Zeit auf dem Markt erscheinen, ohne daß Zoll bezahlt würde. Zu kontrollieren ist das kaum.

„Die Straffungen, zu denen wir uns gezwungen sehen, werden den Investoren wenig Spaß machen, doch ist es unumgänglich, diesen Schritt zu tun“, sagt Frau Fogarasi, die die Meinung vertritt, es liegt im Interesse nicht zuletzt der seriösen Investoren, wenn die Gewieften, die Zollpreller, die sich auf unehrliche Weise Vorteile verschaffen, ausgeschlossen werden. Sie rechnet auch damit, daß diesen Verfügungen zufolge der Anteil der Investitionen aus dem Westen innerhalb der neuen Joint-ventures ansteigen wird. „Diese Proportion ist bei den Firmen, die etwas mit Computern zu tun haben, am größten, nämlich 49,5 Prozent“, erklärt sie. Am geringsten ist der ausländische Anteil im Fall der Transportunternehmen, und auch bei den Außenhandelsfirmen bewegt sich der Anteil nur um etwa 20 Prozent. „Wir möchten schließlich erreichen, daß möglichst viel effizientes Kapital aus dem Westen in Ungarn wirken könnte; es dürfte verständlich sein, wenn wir erreichen wollen, daß die Joint -ventures ein Mittel des Kapitalimports und nicht es Kapitalexports sein sollen .