Von Ichthyologen und Schleichkatzen

Wenn der Mensch sich um die von ihm bedrohte Natur kümmert, weiß man meist nicht ob man lachen oder heulen soll. Letzten Samstag zum Beispiel stand die Bevölkerung der Hafenstadt Marseille kurz vor einer Panik. Ein 500 Kilogramm schwerer Hai hatte sich in das Hafenbecken der französischen Stadt verirrt. Natürlich haben auch die meisten Franzosen Steven Spielbergs berühmten Haifisch-Film gesehen, und so war ihnen sofort klar, daß das Ding im Hafen eine schwimmende Mordmaschine ist. Die Gemüter beruhigten sich erst wieder, als Experten das Tier einwandfrei als Exemplar einer völlig harmlosen Haifischart identifizierten, die sich im wesentlichen von

Plankton ernährt. Dann stellte sich auch noch heraus, daß es sich um ein Weibchen handelt, das Zuflucht im ruhigen Hafenwasser gesucht hatte, um ein Junges zur Welt zu bringen. Jetzt schlug das Grauen in grenzenlose Hilfsbereitschaft um. Schlauchboote wurden zu Waser gelassen und Hobby-Ichthyologen versuchten, der werdenden Mutter eine Spritze mit einem schmerzstillenden Mittel zu verpassen. Aber der gemeine Hai hielt nicht viel von moderne Geburtshilfe und wußte die Sorgen des Homo Sapiens nicht zu schätzen. Er tauchte einfach ab und verschwand wieder im offenen Meer.

Die australische Regierung hat sich etwas ganz besonderes einfallen lassen, um vom Aussterben bedrohte Tierarten zu schützen. Sie verbannen die selten gewordenen Viecher auf kleine, unbewohnte Inseln. Vierzig

Reisignest-Ratten wurden jetzt auf so einem Alcatraz vor der westaustralischen Küste ausgesetzt. Früher waren diese Ratten, die ihren komischen Namen ihrer eigenartigen Nestbauweise zu verdanken haben, über ganz Südwestaustralien verbreitet. Sie

wurden von Füchsen, Waldkatzen und anderen aus Europa eingeschleppten Raubtieren fast ausgerottet. Der Umweltminister Bob Pearce sagte dazu: „Wir betrachten sie nicht nur als Ratten. Sie sind seit 60 Jahren vom australischen Festland verschwunden.“ Daß das auch in Zukunft so bleiben soll, brauchte er nicht extra zu erwähnen. Trotzdem würde ich ihm vorschlagen, seine Besiedlungspolitik noch einmal zu überdenken und einen kurzen Blick auf die kleine jugoslawische Insel Mljet zu werfen. Dort gibt es eigenartigerweise eine Mungokolonie. Es sind Abkömmlinge eines einzigen Paares dieser Schleichkatzen, das um die Jahrhundertwende aus Indien eingeführt wurde, um das Schlangenproblem aus der Welt zu schaffen. Jetzt haben sie ein Mungoproblem.

Karl Wegmann