Nach dem Feiern kommt der Kater

■ In Houston konnten sich die führenden Länder des Westens in kaum einer Frage zur Einigkeit durchringen / Fronten in den Gatt-Verhandlungen nicht aufgelöst, sondern weiter verhärtet

Aus Houston Rolf Paasch

„Wir feiern den historischen Sieg der Demokratie“, so hatte US-Außenminister James Baker am Dienstag die „politische Erklärung“ der sieben reichsten Industrienationen begonnen aber damit hatte es sich dann auch schon: denn nach dem Feiern kam auch in Houston der Kater. In kaum einer der strittigen Sachfragen gelang es den führenden westlichen Ländern auf diesem Wirtschaftsgipfel, so etwas wie Einigkeit herzustellen. Wo es ging, versuchte man die Meinungsverschiedenheiten mit dem antiautoritären Ansatz der sechziger Jahre zu schlichten: „Laßt doch jeden machen, was er will“.

So bei der Frage der Wirtschaftshilfe an die Sowjetunion. Im Abschlußkommunique einigte man sich darauf, „daß jetzt technische Hilfe geleistet werden müsse“, räumte aber ein, daß „einige Staaten bereits jetzt dazu in der Lage sind, weitreichende finanzielle Darlehen zu gewähren.“ Für die Knausrigeren unter den Sieben wurde eine Studie der EG -Kommission über die Wirtschaftslage in der Sowjetunion in Auftrag gegeben, an der auf Wunsch der USA auch die Weltbank, der IWF, die OECD und die neue Osteuropabank mitarbeiten sollen.

Die bis September auszuarbeitenden „Empfehlungen zur Reform des Wirtschaftssystems“ haben jedoch keinerlei verbindlichen Charakter. Und auch nach den im Herbst stattfindenden Wahlen zum US-Senat dürften die Amerikaner für die Entbolschewisierung der Sowjetwirtschaft kaum ihre Dollars zücken. Denn auch die USA haben bereits ihre „DDR“: in Form eines bankrotten Sparkassensystems, dessen Sanierung sie in den nächsten Dekaden mindestens 500 Milliarden Dollar kosten dürfte.

Das einzige, was Kohl in dieser Frage aus Houston mit nach Hause nehmen kann, ist die Tolerierung des deutschen Sonderweges im Verhältnis zur Sowjetunion mit hohen Darlehen und engsten Wirtschaftsbeziehungen zur Sowjetunion.

Die Deutschen dürfen auch ihre Kohlendioxyd-Emissionen bis zur ökologischen Erschöpfung reduzieren - solange sie nicht die USA in diesen nach Denkart des Weißen Hauses „ökonomischen Suizidversuch“ mithineinziehen. In Houston wurde gar nicht erst versucht, verpflichtende Absichtserklärungen zum Umweltschutz mit ins Kommunique aufzunehmen. Mit einer Ausnahme: der Erwähnung eines noch völlig ungeklärten Pilotprojektes zum Schutz des brasilianischen Regenwaldes, wovon jedoch weder japanische noch deutsche Firmen betroffen sein werden. Die ziehen es vor, andernorts die Bäume abzuschlagen.

Wo der antiautoritäre Ansatz - wie bei den Verhandlungen zum Abschluß eines neuen Gatt-Abkommens (siehe Wirtschaftsseite) - nicht möglich war, knallte es. Bis tief in die Nacht zum Mittwoch traten die Gipfel-Sherpas in den Hinterzimmern auf der Stelle, bis sie nach sieben Stunden am Ende schließlich doch noch einen nichtssagenden, aber von allen akzeptierten Kompromiß über die Reduktion der EG -Agrarsubventionen zustande brachten.

Zu den Meinungsverschiedenheiten über die Agrarreform war es gekommen, obwohl Kanzler Kohl den Vorschlag des Leiters der Gatt-Verhandlungsgruppe, Art de Zeeuw, als Basis für einen Kompromiß akzeptiert hatte. Sowohl Paris als auch Brüssel ging dieses Zugeständnis Kohls bereits zu weit, da der Vorschlag de Zeeuws bestimmte Bedingungen der EG für eine graduelle Reduzierung der internen Subventionen, des Marktzugangs und der Exportsubventionen schon gar nicht mehr erwähnt und damit der US-Position „bedrohlich“ nahe kommt.

Statt den festgefahrenen Gatt-Verhandlungen auf ihrem Gipfel einen neuen politischen Anstoß zu geben, haben es die sieben Regierungschefs damit geschafft, noch weiter zur Verhärtung der Fronten bei den bis zum Dezember abzuschließenden Gatt-Verhandlungen beizutragen.

Ein Glück, daß es auch nach der Befreiung Osteuropas noch den internationalen Terrorismus und Drogenhandel gibt. Auf die Passagen des Abschlußkommuniques zu den Fragen der Bekämpfung von Drogenhandel, Terrorismus und der nuklearen Proliferation konnte man sich wie immer genüßlich einigen.