Gesetz will Knast statt Entzug

■ Landgericht: Verhindert die Strafe für zwei Raubüberfälle eine Drogentherapie?

Zwei Monate zu alt war der Dreher Matthias D., als er sich im vergangenen Dezember im Abstand von zehn Tagen gleich zweimal mit der Waffe Geld verschaffen wollte. Zu alt, weil er sich jetzt vor der Großen Strafkammer des Bremer Landgerichts als Erwachsener verantworten muß. Und das könnte nun dazu führen, daß eine Entzugs-Therapie für den 21jährigen Heroinkonsumenten, der schon seit fünf Monaten in Untersuchungshaft sitzt, am Buchstaben des Gesetzes scheitert.

Am 20. Dezember hatte Matthias D. dem Konditor Peter G. aufgelauert, als er gerade seinen Koffer mit den Tageseinnahmen der Bäckerei-Filiale an der St.-Gotthard -Straße hinter dem Fahrersitz seines Autos abstellte. Während Peter G. danach seine Einkäufe im Kofferraum verstaute, sah er, wie der mit einem Dreieckstuch maskierte Mann den Koffer hinter dem Rücksitz hervorholen wollte. Aber der Koffer verklemmte sich zwischen Sitz und Tür. „Nicht bewegen“, rief Matthias D. und versuchte den Bäcker mit CS -Gas außer Gefecht zu setzen. Doch der konnte den Angreifer zunächst festhalten, bekam dafür aber nochmal eine Ladung Gas ab. Dabei geriet Matthias D. das Kampfgas in die eigenen Augen. Er ergriff die Flucht und wurde später von der Polizei überführt.

Zweiter Mann gestern auf der Anklagebank: Der 28jährige Wolfgang B. Er fuhr am 30. Dezember Matthias D. und einen weiteren Freund nach Osterholz-Tenever. Am Egestorff -Altenheim parkten sie, Wolfgang B. blieb beim Auto, die beiden anderen gingen in Richtung einer Videothek in der Otto-Brenner-Allee, die gerade geschlossen hatte.

„Die beiden Frauen kamen uns schon entgegen“, berichtete Matthias D.. „Wir haben uns unsere Wollärmel mit Sehschlitzen aufgesetzt, und ich hab mit einer Gaspistole gedroht: Taschen her oder ich schieß Euch in die Knie!“ Die Beute, mehrere Plastiktüten, ein Videorekorder und die zwei Handtaschen nahmen sie mit und teilten an einer Autobahnraststätte die magere Beute: rund 400 Mark. Wolfgang B. will von dem Geld nichts bekommen haben und streitet ab, Urheber oder Mittäter zu sein.

Aus der U-Haft könnte Matthias D. eigentlich direkt in Therapie gehen - ein Platz und die Kosten sind bereits gesichert.

Doch weil er als Erwachsener und damit als voll schuldfähig gilt, könne der Strafantrag für den angeklagten „gemeinschaftlichen schweren Raub“ nicht unter fünf Jahren bleiben, erklärte der Staatsanwalt. Ein Straferlaß zum Zwecke einer Therapie ist nur bis zu zwei Jahren Strafe möglich. Einzig mögliche Rettung für Matthias D.: die Feststellung einer verminderten Schuldfähigkeit.

Das sei eine Ermessensentscheidung, räumte der gerichtsmedizinische Sachverständige beim Vortrag seines Gutachtens ein. Der junge Mann sei zwar körperlich und psychisch gesund und intelligent, aber „in seiner Reife zurückgeblieben“. Der Gutach

ter bedauerte, daß die Gesetze eine Ausnahme, das Jugenstrafrecht auch auf über 21jährige anzuwenden, nicht vorsehe. Und das umso mehr, als die Gerichte bei Matthias D.s elf Vorstrafen seit dem 14. Lebensjahr die Chance verpaßt hätten, „ihn fester anzupacken“.

Zuletzt verwies der Gutachter darauf, daß es üblich sei, den Beschaffungsdruck des Drogenabhängigen als verminderte Schulfähigkeit auszulegen. Kommentar des Beisitzenden Richters Ziemann: „Wenn man ihn so sieht, kann man eigentlich nicht davon ausgehen, daß sein Zustand schon so weit fortgeschritten ist.“ Beate Ram