Pressefest: Neugierde gibt es nicht

■ 1. Presse-Sommerfest im Görlitzer Park: Kaum Fragen an Hörfunk und Zeitungen / Besucher wollen „eigentlich nur Aufkleber“ / DDR-Medien haben Angst vor der Zukunft / Und immer noch kann man nicht so schreiben, wie man will

Kreuzberg. Wo soll bloß der journalistische Nachwuchs herkommen? Vom 1. Presse-Sommerfest, initiiert von der „Jungen Presse Berlin“, jedenfalls nicht. Die Besucher die sich am vergangenen Mittwoch im Görlitzer Park in Kreuzberg vor den Ständen verschiedener Medien hin- und herschieben, zeigen überwiegend Interesse an Aufklebern, Kugelschreibern und bedruckten Feuerzeugen - selbst wenn das Werbematerial Geld kostet. Ansonsten genießen sie auf dem Rasen Live-Musik bei Sonnenschein. Inhaltliche Fragen an HörfunkmacherInnen gibt es kaum, vor den Ständen der Zeitungen und Zeitschriften das gleiche desinteressierte Bild.

Wenn BesucherInnen nicht wegen selbstklebender Sprüche stehenbleiben, dann machen sie das am ehesten bei Medien mit politischem Anspruch. Die Vertreter von „Radio 100“ müssen ständig beantworten, ob sie „schon konkurs“ seien und „an Linke verkauft“ hätten. Michael Neuner aus der Werbeabteilung von „Radio 100“ antwortet dann immer: „Wir haben noch nicht verkauft.“ Wie bei der taz interessieren sich auch hier manche für ein Praktikum. Am taz-Stand wird am häufigsten das neue Layout bemängelt, doch an inhaltlicher Kritik kommt auch hier enttäuschend wenig. Trotzdem guckt Reporterin Sonja Saric von „Radio 4 You“ neidisch zur taz herüber: Vor ihrem silbernen SFB-Werbebus kommt es nicht einmal zu Gesprächen, Jugendliche „wollen eigentlich nur Aufkleber“, sagt sie und scheint darüber unglücklich zu sein.

Der SFB ist das einzige Medium, das seine Produktion vor Ort vorführt. Vor dem Ü-Wagen greift sich Moderator Hajo Seppelt je einen Kollegen von „Elf99“ und der taz. Was die Leute denn so fragen, will Seppelt wissen. Doch die Antworten scheint er nicht abwarten zu können: Dem „Elf-99„ -Moderator zieht Seppelt das Mikro im vierten Wort bei der ersten Silbe, dem taz-Redakteur im dritten Wort bei der zweiten Silbe weg.

Auf der mühseligen Suche nach einem kritischen Zeitungsleser oder Radiobenutzer findet der taz-Reporter vor dem Stand von „dt64“ Heinz Eckelt. Der 34jährige Medizinstudent aus Tiergarten will erfahren, was „dt64“ vom geplanten Mediengesetz hält. Kulturredakteuer Michael Rödger (Sendung Szene) befürchtet das Schlimmste. Wenn „dt64“ nicht mehr subventioniert werde und dann um ein Stück des Rundfunkgebühren-Kuchens kämpfen müsse, könne der Sender seine Antennen einziehen: „Für einen landesweiten linken Rundfunk“ sei unter solchen Bedingungen kein Platz im kommerzialisierten Äther. „dt64“, hervorgegangen aus dem „Deutschlandtreffen der Jugend“ 1964 und seit '87 ein eigener Sender, beschäftigt derzeit über einhundert MitarbeiterInnen.

Im „Verlag Junge Welt GmbH“ (440 MitarbeiterInnen, 14 Zeitungen und Zeitschriften) hat es bereits Veränderungen gegeben. Hinter einem Berg bunter Zeitschriften steht Pit Schulze von der PR-Abteilung. Vor kurzem war er noch Chefredakteur des 'technikus‘ (verordnete Auflage im SED -Regime: 130.000). Doch als es mit den Aluchip-Subventionen haperte, zeigten die 10- bis 16jährigen ihr wirkliches Interesse an der Illustrierten und Schulze mußte seinen Posten wechseln. Immerhin: Kein 'technikus‘ wurde arbeitslos. Und manchmal geht es mit den Veränderungen auch nicht schnell genug. 'Junge-Welt'-Redakteurin Susann Morgner bedauert, daß sie auch heute den Griffel nicht so führen dürfe, wie sie wolle. Denn wenn die Tageszeitung (Auflage 500.000) über die „rechte Seite nicht so objektiv wie möglich berichtet“, komme schnell der Vorwurf, das Blatt hätte sich nicht von seiner FDJ-Vergangenheit gelöst.

Dirk Wildt