piwik no script img

Die deutsche BILDerbuchkarriere einer Chefsekretärin

■ Die ehemalige Sekretärin von Ex-DDR-Chef Erich Honecker und seinem Nachfolger Erich Krenz sitzt jetzt in der Chefetage der Ost-'Bild'-Zeitung

Ost-Berlin. Als die 'Bild'-Zeitung im Februar dieses Jahres ein Büro in Ost-Berlin eröffnete, hielt die Chefetage Ausschau nach Mitarbeitern, die von dem Land mehr verstehen als sie selber. Da gab es sicher viele, aber für 'Bild‘ mußte es etwas Exklusives sein. Der westdeutsche Chefredakteur der Ost-'Bild'-Ausgabe, Peter Brinkmann, landete dann auch einen Volltreffer und stellte als seine persönliche Sekretärin eine Frau ein, die direkt aus dem Machtzentrum der von 'Bild‘ so heldenhaft bekämpften „DDR“ kam: Frau Annelies R., seit dem Machtantritt Honeckers 1973 dessen Sekretärin und enge Mitarbeiterin.

Wer so einen Job bekam, der brauchte nicht nur Mielkes Protektion, sondern dazu auch die tiefe innere Überzeugung, daß das, was aus diesem Büro ging, nur zum Wohle des Volkes ist. Daß sich selbiges aber, im Gegenteil, eher unwohl fühlte, blieb gerade Annelies R. nicht verborgen. Als Vertrauensperson wurde sie nämlich dem persönlichen Mitarbeiter Honeckers und Leiter des Eingabenbüros, dem Genossen Ruhmke, unterstellt. Fortan war sie die entscheidende Person, die die Eingaben der Bürger zu den Mißständen im Lande aus- und verteilte. Sie sorgte dafür, daß die heile Welt des Staatsführers nicht mit so lästigen Dingen wie Versorgungsnotstand, Wohnungsnot oder Ausreisewünschen gestört wurde.

Wer sich über Jahre wunderte, warum er nie eine Antwort auf seine Schreiben an den „Herrn Staatsratsvorsitzenden“ bekam, der kann ja heute mal in der Chefredaktion der Ost-'Bild' -Zeitung anklingeln. Zu hoffen ist - nebenbei bemerkt -, daß Frau R. die ihr zugeschickten Briefe nun wirklich ihrem Chef übergibt, sonst wird Herr Brinkmann womöglich noch genauso realitätsblind wie Genosse Honecker.

Als 1983 auch die ältesten in der Seniorenstation „Zum Politbüro“ mitbekamen, daß Egon Krenz als Jugendführer nicht mehr frisch genug war, wechselte er ins Politbüro und wurde als Sekretär im Zentralkomitee zuständig für Sicherheit. Aus seinem Büro gingen - neben anderen Gemeinheiten - die Anweisungen zum Niederknüppeln aller Demonstrationen und die Verherrlichung des Massakers von Peking. Im Vorzimmer des Büros saß - von Honecker als Vertrauensperson empfohlen weiter Frau R., nun Chefsekretärin von Egon Krenz. In dieser Funktion hielt sie ihrem Chef die Treue, bis sie zusammen nach der Wende ihre sieben Sachen packen mußte.

Nun wurde sie, dank 'Bild‘, vor der Arbeitslosigkeit gerettet. Ihre ehemals verdienten 1.500 Ostmark verwandelten sich in 6.000 D-Mark monatlich. Die 'Bild'-Zeitung sicherte sich so wertvolles Insider-Wissen und ungeahnte Kontaktmöglichkeiten. Dafür wird sich die Vergangenheit schon mal schön zurechtgebogen. Brinkmann zum taz-Reporter: „Sie wissen ja gar nicht, was sich die Frau in den 40 Jahren wirklich gedacht hat.“ Oh ja, die alte Leier. Außer zehn alten Knackern waren alle Widerstandskämpfer. Aber schwer wird die Umstellung Frau R. nicht fallen, der Umgangston wird ihr bekannt vorkommen: „Mit wem die Frau spricht, bestimme ich“, gibt Ost-'Bild'-Chef Brinkmann zu.

Vielleicht aber liegt die Zusammenarbeit mit ihr schon viel weiter zurück. Über die alten Chefs von Frau R. wußte ihr neuer Arbeitgeber immer ganz genau Bescheid: „Es ist zu Ende“, titelte 'Bild‘, als Honecker im Krankenhaus lag. Dann wurde Nachfolger Krenz als „der flotte Egon“ vorgestellt, der hübsche Mädchen und schnelle Autos liebt. Im Dezember noch lautete die Schlagzeile: „Die Honecker-Bande handelte mit Kokain“. Da kann man für 'Bild‘ nur hoffen, daß sie einfach mal wieder gelogen hatte, sonst klopft morgen vielleicht der Staatsanwalt bei Chefredakteur Brinkmann an die Tür: wegen Unterstützung einer möglichen Mitwisserin.

Torsten Preuß

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen