Noch immer gibt es ANC-Verhaftungen

Aus Johannesburg Hans Brandt

Menschenrechtsgruppen haben der südafrikanischen Polizei diese Woche Unmenschlichkeit und den Mißbrauch von Kinderschutzgesetzen vorgeworfen, nachdem ein 16 Monate alter Säugling von seiner in politischer Untersuchungshaft befindlichen Mutter getrennt wurde. Shirley Gunn (36), Mitglied des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), war vor zwei Wochen zusammen mit ihrem Sohn Haroon, der noch gestillt wurde, verhaftet worden. Letzte Woche wurden Mutter und Sohn getrennt, angeblich, weil es in Gunns Einzelzelle in Kapstadt keine für das Kleinkind ausreichenden Wasch- und Heizmöglichkeiten gibt. Eine Umlegung in ein anderes, besser ausgerüstetes Gefängnis hatte die Sicherheitspolizei jedoch abgelehnt, weil Gunn dort „unkontrollierten Kontakt mit anderen“ haben und so der Sinn der unbegrenzten Beugehaft nicht erfüllt werden könnte. Gunn wird vorgeworfen, an verschiedenen Sabotageanschlägen nahe Kapstadt beteiligt gewesen zu sein. Die Polizei behauptet auch, daß eine massive Explosion, die 1988 das Hauptquartier des südafrikanischen Kirchenrates in Johannesburg zerstörte, durch Sprengstoff verursacht wurde, den Gunn in dem Gebäude gelagert hatte. Der ANC sagt aber, daß Gunn zur Zeit der Explosion nicht in Südafrika war. Die Trennung von Mutter und Kind wurde von einem Kapstädter Kindergericht auf Antrag der Sicherheitspolizei angeordnet. „Das Kindergericht sollte die Interessen der Kinder schützen“, so Adele Thomas, Präsidentin der Gesellschaft für Sozialarbeiter. Gunn konnte verhaftet werden, weil es noch keine allgemeine Amnestie für politische Oppositionelle gibt. Über eine solche Amnestie, die zur Freilassung von Tausenden politischen Gefangenen und zur Rückkehr von Zehntausenden aus dem Exil führen soll, wird seit Mai zwischen ANC und Regierung verhandelt. Eine endgültige Übereinkunft ist jedoch bis zur Rückkehr von ANC -Vizepräsident Mandela von seiner sechswöchigen internationalen Reise verzögert worden. Mandela wird nächste Woche in Südafrika zurückerwartet.