Parteispenden: Was wußte Späth?

■ Merkle-Prozeß wird gegen den Antrag des Vorsitzenden Richters nun doch fortgeführt Justizministerium erteilt Staatsanwälten keine Weisung zur Einstellung des Verfahrens

Von Erwin Single

Stuttgart (taz) - In die baden-württembergische Parteispendenaffäre ist noch einmal Bewegung gekommen. Nachdem der Vorsitzende Richter der 6.Wirtschaftsstrafkammer am Stuttgarter Landgericht letzte Woche die Einstellung jenes Verfahrens vorgeschlagen hatte, in dem sich der frühere Bosch-Chef Hans Merkle wg. Steuerhinterziehung der über „Spendenwaschanlagen“ in die Parteisäckel der CDU geflossenen Finanzspritzen verantworten muß, wird das Verfahren jetzt doch fortgeführt. Richter Klaus Teichmann ging davon aus, Merkle sei allenfalls noch ein geringes Verschulden anzulasten, und dem öffentlichen Interesse durch das Aufdecken „mannigfaltiger Anhaltspunkte“ für die Beteiligung hochrangiger politischer Mandats- und Amtsträger sei genügend Rechnung getragen. Doch Teichmann zog mit seinem Einstellungsvorschlag nicht nur den Protest der Staatsanwälte auf sich, sondern auch den der Öffentlichkeit. Unter Anspielung auf eine Ehrenerklärung Späths, er bedaure derartige Prozesse gegen Industrielle wie Merkle, sehe aber keine Handhabe, dem Angeklagten im Prozeß beizustehen, hatte das Gericht an die Landesregierung appelliert, ihr Weisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft zu nutzen.

Die Staatsanwaltschaft lehnte den Vorschlag des Gerichts ab, die Akte Merkle gegen eine Million Mark Bußgeld endgültig zuzuklappen. Einen noch größeren öffentlichen Aufschrei befürchtend, macht das Justizministerium von seinem Weisungsrecht nun keinen Gebrauch. Justizminister Eyrich ließ gestern mitteilen, die Entscheidung der Staatsanwaltschaft sei nicht zu beanstanden; der von der Strafkammer gemachte Hinweis könne nicht aufgegriffen werden, da justizfremde Zwecke mit Hilfe des Weisungsrechts nicht verfolgt werden dürften. Während der Prozeß also weitergeht, rückt in Sachen Parteispenden Ministerpräsident Lothar Späth zunehmend in den Mittelpunkt. Schon von dem Gericht bei seiner Zeugenaussage im Merkle-Prozeß wg. Verdachts der Mittäterschaft nicht vereidigt, werden nun gegen ihn neue Vorwürfe erhoben: Nach Informationen der 'Zeit‘ belegen „Dutzende kürzlich gefundener Protokolle“, daß Späth als Fraktionschef ab 1972 an CDU -Präsidiumssitzungen teilgenommen und einschlägige Protokolle zugesandt bekommen hat.

Späth, der vor Gericht jegliches Wissen über die illegalen Parteispendenwege für die Zeit vor 1979 ausgeschlossen hatte, gerät in Not: „Was wußte Späth und wann?“ fragt sich nicht nur die 'Zeit‘. In den Präsidiumssitzungen nämlich, so hatte der Zeuge Mahler zu Protokoll gegeben, sei das Thema Parteispenden mehrmahls zur Sprache gekommen; alle Beteiligten hätten die Details der Kaskadenfinanzierung gekannt.