Vom Staatskünstler zum Animator

■ DDR-Minister Schirmer äußert sich zur Zukunft von Ost-Kultur und Kunst im vereinten Deutschland

Berlin (taz) - Als am Freitag nach gut einer halben Stunde im internationalen Pressezentrum in Ost-Berlin noch immer kein Minister für Kultur auftauchte, entschlossen sich seine StaatssekrtärInnen Gabriele Muschter und Udo Bartsch ohne ihren Chef die anberaumte Pressekonferenz zu eröffnen. Die Verspätung hatten Vertreter der Künstlerverbände genutzt um Flugblätter zu verteilen, auf denen sie gegen die kulturelle „Demontage“ protestierten und sich für eine, im zweiten Staatsvertrag festzuschreibende, Kulturunion aussprachen. Für den 17. Juli kündigten sie einen „Aktionstag Kultur“ an. Im Ostberliner Nicolai-Viertel will man an diesem Tag für „den Erhalt der in unserem Land gewachsenen progressiven Kunst und Kultur“ demonstrieren. Staatssekretär Bartsch wies gleich zu Beginn der Pressekonferenz die Forderung der organisierten Künstler als unrealistisch und einem zentralistischen Denken verhaftet zurück und lud ihre im Schutzverbund „Künstler der DDR“ organisierten Vertreter für den 17. Juli zu einem Gespräch ins Kulturministerium.

Dann kam er zu den Ergebnissen der Verhandlungen seines Ministeriums mit den zuständigen bundesrepublikanischen Stellen. In zwei bis drei Artikeln des neuen Staatsvertrages, jetzt Einigungsvertrag genannt, sollen die östlichen Vorstellungen zur künftigen Kulturpolitik festgeschrieben werden. Zum einen will man nach der gesamtdeutschen Wahl das Ministerium für Kultur auflösen und abgespeckt in ein Bundesministerium für „Anpassung“ als Abteilung Kultur integrieren. Zum anderen will man über die im Grundgesetz garantierte Freiheit von Kunst und Kultur hinaus auch die Pflicht zu deren Förderung in den Einigungsvertrag und die künftigen Länderverfassungen aufnehmen. Zwar bekenne man sich zur „förderalistischen Struktur“ eines künftigen Deutschlands, doch hält man es für unverzichtbar, für mindestens drei Jahre eine Übergangsphase auch institutionell zu etablieren. Die Länder wären zum jetzigen Zeitpunkt allein schon finanziell nicht in der Lage, ihre territorialen Kultureinrichtungen zu erhalten. Bartsch wie auch der mit einer Stunde Verspätung erscheinende Kulturminister Schirmer zeigten sich optimistisch, diese Schonzeit gegenüber den radikal förderalistisch argumentierenden Kultusministern der Bundesländer durchsetzen zu können. „Ansonsten drohe nicht nur ein heißer Herbst sondern auch ein heißes Jahr 1991.“

Den Künstlerverbänden versprach man, ohne verbindliche Zusagen, existenzsichernde Unterstützung für das laufende Jahr. Ab 1991 allerdings will man sich auf projektgebundene Hilfen beschränken, denn die Zeit der aus dem Staatshaushalt versorgten Verbände sei vorbei. Den jetzt brotlosen ehemals von den Staatsverbänden unterstützten Künstlern wird zwar das Arbeitslosengeld vom zuständigen Ministerium verwährt, doch bietet Schirmer ihnen Umschulungsprogramme an mit deren Hilfe sie sich zu Freizeitpädagogen und Animatoren ausgebilden lassen können.

Außerdem plant das Kulturministerium die Einrichtung von ABM-Stellen auf denen dann die weniger erfolgreichen Künstler oder Animatoren dem sozialen Abstieg entgehen können. Schirmer riet den Künstlern von ihrem „Inseldasein und ihrer Exotenstellung“ Abschied zu nehmen und sich der europäischen Konkurrenz zu stellen. Das muß auch jeder DDRler der sich für die jetzt ausgeschriebene Stelle des Generaldirektors der Staatlichen Museen zu Ost-Berlin bewirbt. Die Abberufung Prof. Schades wurde am Freitag von der Staatssekretärin Muschter noch einmal bestätigt. Über seinen Nachfolger wird eine aus Experten zusammengesetzte Kommission entscheiden, der u.a. Vertreter des neugegründeten Kunsthistoriker- und des Kunstkritikerverbandes angeghören werden.

a.m.