Der Zoll zieht einen neuen Mantel an

■ DDR-Zoll wurde vom Finanzministerium einverleibt / Nach dem Fall des staatlichen Außenhandelsmonopols werden BürgerInnen im Inland und an den Grenzen zur Kasse gebeten

Berlin (taz) -Am Eingang der ehemaligen Zollverwaltung der DDR in der Berliner Grellstraße klärt ein noch blitzendes, aber doch wieder dezent graues Schild den Besucher über den neuen Hausherrn auf: „Ministerium der Finanzen. Abteilung für Zölle und Verbrauchssteuern“. Mit dem Staatsvertrag, Artikel 34, hatte die Regierung der DDR den Auftrag übernommen, „vorrangig funktionsfähige Steuer- und Zollverwaltungen“ aufzubauen, so daß schrittweise das EG und das BRD-Zollrecht übernommen werden kann.

Ein neues Zollgesetz liegt der Volkskammer im Entwurf zur Beschlußfassung vor. Aber schon jetzt sind die Verantwortlichen in der Grellstraße der Aufforderung des Staatsvertrages nachgekommen und haben die DDR mit einem Netz von Zollämtern ausgestattet und diverse Zoll, Einfuhrumsatz- und Verbrauchssteuer-Bestimmungen erlassen. Für die Reisenden an den Außengrenzen der DDR liegt nun ein „Gemeinsames Merkblatt der Bundeszollverwaltung und der Zollverwaltung der DDR“, die ja eigentlich schon wieder anders heißt, vor. So können sich die mündigen BürgerInnen schon bei Antritt der Urlaubsreise über die zugelassene Menge gebührenfreier Mitbringsel informieren. Auch für den nichtkommerziellen Postverkehr gibt es ein neues Merkblatt, aus dem zum Beispiel hervorgeht, daß man sich aus einem EG -Land „75 Gramm Parfum oder 0.375 Liter Toilettewasser“ gebührenfrei zuschicken lassen kann.

Die für den Zoll als Steuerbehörde bedeutendsten Pflichten werden jedoch künftig im Inland bei den 21 neu geschaffenen Hauptzollämtern der DDR erfüllt. Die sind, ebenso wie ihre „Töchter“, die Binnenzollämter, wie Zoll-Pressesprecher Dietrich Feldmann gegenüber der taz versichert, wirklich schon funktionsfähig. Mit manchem Provisorium wird man noch eine Weile leben müssen. So sind zum Beispiel viele Amtsstuben noch nicht beheizbar, so daß die ZöllnerInnen im Winter wahrscheinlich frieren müssen. Trotzdem stellt man sich dem Ziel, einen spürbaren Beitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen zu leisten. Es wird kräftig kassiert: Zölle, Einfuhrumsatzsteuern und Verbrauchssteuern. Letztere werden in der Regel beim Hersteller erhoben und beziehen sich auf Bier, Branntwein, Kaffee, Leuchtmittel (zum Beispiel Glühlampen), Mineralöl, Salz, Schaumwein, Tabak, Tee und Zucker. Wenn nicht alle DDR-Betriebe dieser Branchen pleite gehen, kommt da ein hübsches Sümmchen zustande.

Auch die Einfuhrumsatzsteuern mästen das Staatssäckel nicht unerheblich. Die BRD-Kasse konnte sich aus dieser Quelle 1989 zum Beispiel 105,4 Milliarden DM sichern. Für die DDR günstig ist auch die Regelung, daß die direkten Einfuhrzölle bis auf weiteres noch nicht an die EG abgeführt werden müssen. (Die BRD zahlte 1989 6,4 Milliarden DM aus Zöllen an die EG.) Wie hoch diese Summen in der DDR ausfallen werden, kann heute noch niemand sagen: unsichere Wirtschaftslage.

Die Hauptzollämter sind außerdem für die Einhaltung der EG -Einfuhr- und Ausfuhrkontingente in ihrem Territorium, sowie für die Einhaltung der Ein- und Ausfuhrverbote - so auch der durch die COCOM-Listen vorgeschriebenen - verantwortlich. In Kooperation mit anderen Regierungsstellen übernehmen sie Aufgaben im Artenschutz, Tierseuchenschutz und beim Handel mit gefährlichen Gütern. Neu sind auch die Betriebsprüfämter in den Hauptzollämtern, die den Verbrauch von Importwaren vor Ort kontrollieren sollen.

Es wurden sieben Zollfahndungsämter (Zentrale Berlin, Stadt Berlin, Potsdam, Rostock, Dresden, Magedeburg, Erfurt) gebildet. Trotz des hohen Arbeitskräftebedarfs so vieler neuer Hauptzollämter, Binnenzollämter und der Zollfahndungsämter wird die Zahl der ehemals 11.000 ZöllnerInnen reduziert. In der Grellstraße wird intensiv an Umschulungsprogrammen und Vorruhestandsregelungen gearbeitet, während in den über die Republik verstreuten Ämtern viele Stellen noch nicht besetzt werden können. Die bisher an den innerdeutschen Grenzen beschäftigten ZöllnerInnen müßten dort ihre neue Arbeit aufnehmen.

Aber wie versorgt man sie in anderen Städten mit Wohnungen? Können die Ehepartner dort eine Arbeit bekommen? Was wird aus den Kindern? Fragen über Fragen, während besonders im ostsächsischen Raum noch viele offene Stellen bleiben. Die „Graublauen“ stehen also nicht nur staats- und finanzpolitisch vor einer großen neuen Aufgabe, viele müssen auch ihre persönlichen Pläne den harten Bandagen der Marktwirtschaft anpassen. Die Zolloberen betrachten die neuen Steuerinstrumentarien als mögliche wachstumsstimulierende und effektivitätsfördernde Mittel für die DDR-Wirtschaft. Bleibt zu hoffen, daß auch wir VerbraucherInnen etwas davon haben.

Marion Fischer