The Grandma from Ipanema

■ Astrud Gilberto sang in der Schauburg Bossa Nova für die Gringos

Armes Brasilien! Seine populäre Musikkultur ist eine der reichsten und schönsten der Erde und ausgerechnet durch Lambada wieder en vogue. Vor 25 Jahren war es dagegen wirklich neue und frische Musik, die aus Rio de Janeiro die Hitparaden eroberte. Die Lieder von Antonio Carlos Jobim, die Gitarre von Baden Powell und die Stimme von Astrud Gilberto: das war der Bossa Nova - Musik, die zugleich leicht und sophisticated war und in der afrikanische und portugiesische Stilelemente sich aufregend mit dem Cooljazz vermischten.

Samba und Bossa Nova haben sich in Brasilien weiterentwickelt (Bossa Nova heißt auch nichts anderes als neue, beschwingt getane Sache), aber Musiker wie Gilberto Gil, Milton Nascimento oder Flora Purim wurden international nie so erfolgreich, wie sie es verdient hätten. Stattdessen

kommt jetzt mit dem Trend wieder Astrud Gilberto nach Europa, und es ist schon ein wenig traurig, daß sie die schönen, aber eben auch alten Songs von Jobim jetzt so singt, als wäre zwischen „The Girl from Ipanema“ und „Lambada“ nichts in Brasilien passiert.

An ihrem „Bossa“ ist nichts mehr „Nova“. Die zierliche, chic in schwarz gekleidete Sängerin präsentierte die alten Lieder dann auch sichtlich gelangweilt. Und die fünfköpfige und sehr junge Begleitband (merkwürdigerweise ohne Saxophonisten, aber mit Posaune) spielte kompetent, aber so unpersönlich wie eine Barkapelle. Diese Lieder hätten es verdient, durch originelle Arrangements und frisches Feuer aus der Alltäglichkeit der Supermärkte und Fahrstuhlberieselungen befreit zu werden. Aber Frau Gilberto verließ sich zu sehr auf ihr mattglänzendes Patina.

Auch die Eigenkompositionen der Chefin waren so epigonenhaft den alten Standards nachempfunden, daß man kaum die Übergänge wahrnahm. Aber dies war ein Konzert, in dem es offensichtlich mehr auf das „Was“ als auf das „Wie“ ankam. Alle bekannten Stücke wurden in der vollbesetzten Schauburg mit großem Applaus begrüßt; zwei Zugaben wurden erklatscht seltsam war nur, daß kaum jemand in den Gängen tanzte und auch das Fusswippen sich sehr in Grenzen hielt.

Mit einer Ansage machte Frau Gilberto dann deutlich, was von dieser Musik zu halten ist: Eins der Stücke sei auch auf ihrer neuen Platte mit James Last, verkündete sie stolz. Da ist der Bogen zu Lambada wieder fast gänzlich geschloßen. Mit Brasilien hat diese Musik so viel zu tun wie eine Postkarte von der Copacabana und dem Zuckerhut.

Willy Taub