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■ Von populär-phantomistischen Rockauftritten in Menschenmengen

NOCH NIE DAGEWESENES

Auf der Suche nach der Bochumer „Rockhoffnung“ The Zarts, deren „ungewöhnlichste Tournee“ sie nach Berlin für sechs 15 -Minuten-Auftritte vor verschiedenen Plattenläden führen sollte, sah ich in Steglitz eine Rumänin mit ihrem Kind, der eine Hausfrau voller Scham etwas zusteckte, als wäre das ungehörig; sah ich vor WOM einen hellbehosten jungen Mann, der einer anderen Rumänin offensiv einen Schein gab und mich böse anguckte, weil er dachte, daß ich nur beobachten würde, ohne daran zu denken, Notlinderndes beizusteuern. An mehreren angegebenen Stellen der Stadt wartete ich beobachtend zwanzig Minuten auf vier Männer, die doch „Musik zurück auf die Straße bringen“ und, in einem überdimensionalen Einkaufswagen spielend, auftreten wollten, wartete auf Axels „unwiderstehliche Gitarren“, auf das „pulsierende, lebendige Baßspiel Rainers“, auf den singenden „Energiebündler“ Wulf, wartete ver geblich und entdeckte bei „Yorck Record“ wieder eine Jonathan-Richman-Platte für 17,90, die ich kurz zuvor bei WOM für 25 Mark gekauft hatte, und landete schließlich enttäuscht in einer Vorlesung des Religionswissenschaftlers Klaus Heinrich im Henry-Ford-Bau, der „die gähnende Seinsverlassenheit“, die in Heideggers Langeweile aufbricht, mit einem: „Der Schoß gähnt sozusagen vor sich hin“, launig kommentierte, „sich langweilende Tagelöhner des Seins“ im Ereignisbuch des Philosophen aus dem „vierten Reich“ der Begriffe fand und außerdem wieder einen Interviewtermin ins Ungewisse schob.

Detlef Kuhlbrodt, Foto: Martin Wissen