Tiergarten gegen Hellersdorfer Buga

■ Baustadtrat und Bürgerinitiativen fürchten Demontage ökologischer Stadtplanung / Buga GmbH: „Notstandsgebiet“ Hellersdorf inakzeptabel / Hellersdorfer Bezirksbürgermeisterin prinzipiell für Buga

Tiergarten/Hellersdorf. Mit „absolutem Unverständnis“ reagierte gestern der Tiergartener Baustadtrat Porath (SPD) auf die Pläne von Bausenator Nagel, die Bundesgartenschau 1995 in die Ostberliner Bezirke Hellersdorf und Marzahn zu verlegen. Vorherrschende Meinung im Bezirksamt: Nagels Hellersdorfer Abenteuer gefährde die bereits durch Senatsbeschlüsse abgesegnete Planung für die „grüne Mitte“. Porath plädierte zusammen mit dem Umweltstadtrat aus Berlin -Mitte, Kuhn, sogar für eine Erweiterung des bisherigen Buga -Innenstadt-Konzeptes in Richtung Berlin-Mitte. Die Bürgermeisterin von Tiergartens Partnerbezirk Hellersdorf, Köhnke, äußerte in einer, zeitlich versetzten, Pressekonferenz keine Bedenken gegen einen Buga-Standort Hellersdorf, wehrte sich jedoch gegen eine „Überstülpung“ eines Konzeptes von seiten des Senats und Magistrats.

„Eine Schweinerei“ fand der Sprecher der Bürgerinitiative Karnickelberg, Bühler, das Vorpreschen des Bausenators. Zweijährige intensive Bürgerbeteiligung im Bereich der sogenannten „Demonstrationszone V“ würde damit „in den Sand gesetzt“. Die BI befürchtet, daß für die Tiergartener Flächen nur noch zentrale Verkehrs- und Bauplanung übrigbleibe. Das Bestreben der Bewohner, ökologisch verträgliches Wohnen in der Großstadt zu planen, würde vom Bausenator offensichtlich als „störender Faktor“ empfunden. Der „Moabiter Ratschlag“, ein Zusammenschluß aller Tiergartener Bürgerinitiativen, forderte ein formelles Bürgerbeteiligungsverfahren aller Innenstadtbereiche, um nicht weiter der „verfehlten städtebaulichen Politik“ des Senats ausgeliefert zu sein. Baustadtrat Porath schätzte die Stimmung der Tiergartener Wähler so ein: Der Vertrauensverlust gegenüber der öffentlichen Verwaltung sei nicht wiedergutzumachen, wolle man nun die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung kurzerhand ignorieren. Die Tiergartener SPD wie auch die Bezirks-AL stimmten dieser Auffassung zu, allein die CDU war „nicht vorbereitet“ und schwieg.

Buga-Geschäftsführer Gottfriedsen warnte vor einer Verunsicherung aller bisher an der Buga-Planung Beteiligten. Die Diskussion in Teilen des Senats sei ein „unerträglicher Zustand“. Allein 50 Büros hätten die Unterlagen für den landschaftsplanerischen Wettbewerb angefordert. Niemand könne erwarten, daß jene ins Blaue hinein planen. Als „Nonsens“ bezeichnete er die Pläne von Nagel und seinem Ostberliner Kollegen Thurmann (SPD), mit nur vier Jahren Vorlauf in Hellersdorf und Marzahn eine Bundesgartenschau „aus dem Boden zu stampfen“, vom langwierigen Prozeß einer Bürgerbeteiligung ganz zu schweigen.

Die Buga GmbH hat hingegen noch Bedenken anderer Art gegen einen Standort Hellersdorf/Marzahn, wie aus einem Brief Gottfriedsens an die Bezirksbürgermeisterin von Hellersdorf hervorgeht. Das Neubaugebiet sei nach Westberliner Standards als ein städtebauliches „Notstandsgebiet“ nicht reif für eine Buga: Da mittelfristig mit einer „sozialen Deklassierung“ eines größeren Teils der Bewohner zu rechnen sei, mit erhöhter Arbeitslosigkeit und wachsender Sozialhilfeabhängigkeit, könne man in diese „sozialökonomische Defizitlandschaft“ keine ökologischen Modelle „hineinplanen“, ohne die dringenderen Probleme der Bewohner zu lösen.

Als Affront empfand die Hellersdorfer Bezirksbürgermeisterin Köhnke den Brief von Gottfriedsen. Zum erstenmal nahm gestern auch die Bezirksbürgermeisterin Stellung zu den neuen Buga-Plänen, über die sie bislang nur „aus der Presse“ unterrichtet worden war. Der Brief sei im Tenor auf das „politischen Spannungsfeld zwischen AL und SPD“ und den Interessen der Buga GmbH zugeschnitten. Das Bezirksamt wende sich prinzipiell nicht gegen einen Buga -Standort Hellersdorf. Allerdings werde die Entscheidung darüber „wohl kaum hier im Bezirk gefällt“. Die Auffassung, „daß eine gärtnerische Gestaltung des Stadtbezirks nach ökologischen Gesichtspunkten zum sozialen Konfliktstoff werden könnte“, halte sie für „unsinnig“. Sie zeuge von „Unkenntnis Ostberliner Lebensverhältnissen“.

nana/bel