Die DDR ist tot - es lebe die PDS?

 ■ Ein Essay

Von Rolf Geffken

Als ich im Januar dieses Jahres vorzeitig aus dem Landesvorstand Der Grünen-Alternativen-Liste Hamburgs zurücktrat, geschah dies als Signal gegen die „deutschlandpolitischen Illusionen“ nicht nur sogenannter realpolitischer Vorstandsmitglieder. Auch Linke glaubten den „Demokratischen Aufbruch“ noch als solchen begreifen zu können. Sie glaubten, daß der revolutionäre Schub vom November Reformen in der DDR und womöglich auch in der Bundesrepublik auslösen könnte.

Inzwischen ist Ernüchterung diesen Illusionen gewichen. Aber statt ernüchtert die Ursachen für diesen Prozeß zu analysieren, werden neue Illusionen produziert. Werden Frustrationen kompensiert. Statt des untauglichen „Demokratischen Aufbruchs“ soll nun die PDS nicht nur Bündnispartner, sondern für manchen Linken auch innerhalb der Grünen Teil einer organisierten „neuen“ (wieder mal neuen?) Linken sein. Die DDR ist tot - es lebe die PDS?

Haben solche Illusionen überhaupt den historischen Einschnitt erkannt und begriffen, der solchem Aufbruch zu alten Ufern vorausgegangen ist? Haben diejenigen, die solche Positionen vertreten überhaupt Ursachen und Ausmaß des deutsch-deutschen Anpassungsprozesses erkannt? Oder liegt in ihnen nicht vielmehr eine Art neuer und ebendoch längst veralteter Form der Verdrängung politischer Realitäten?

Die Antwort auf diese Fragen setzt zunächst eine schonungslose Bestandsaufnahme voraus.

Die Revolution vom November 1989 hat nicht zur Einleitung von Reformen, d.h. zur Veränderung der DDR, sondern zur Aufgabe ihrer eigenen Identität und damit zur prinzipienlosen Unterwerfung unter das bundesdeutsche Modell geführt.

Die quasi-koloniale Unterwerfung der DDR-Gesellschaft hat nicht etwa nur zur Anpassung, sondern darüber hinaus zur modellhaften Rückentwicklung der DDR-Gesellschaft geführt und wird das ehemalige DDR-Territorium innerhalb Gesamtdeutschlands langfristig zu einer „offenen Wirtschaftszone“ der Bundesrepublik machen.

Die Dynamik dieses Prozesses wird vor allem durch eine völlige Demoralisierung und Entpolitisierung der Bevölkerung im allgemeinen und der Gewerkschaften im besonderen begünstigt. Auch partieller Widerstand nach Einführung der Währungsunion wird diesen Prozeß nicht aufhalten, sondern allenfalls leicht bremsen können.

Dieser Prozeß wird zur Restauration alter Kräfteverhältnisse und zu einer politischen Regression auch in der Bundesrepublik und damit insgesamt zu einer verstärkten Rechtsentwicklung (aber nicht im Sinne eines vordergründigen Rechtsradikalismus) in einem künftigen Gesamtdeutschland führen.

Politische Entmündigung der Volkskammer

Die politische Ebene zeichnet sich durch ein hohes Maß an Entdemokratisierung und Selbstentmündigung aus. Elementare parlamentarische Rechte, wie ausreichende Redezeit, Beratungsperioden und sonstige Kontrollrechte werden in der neu konstituierten Volkskammer in großem Konsens abgelehnt oder beschnitten. Gesetzespakete von extremen Ausmaßen werden ohne umfassende Beratung durchgestimmt. Oppositionellen Kräften wird die Redezeit gekürzt. Das Selbstverständnis einer großen Zahl der Parlamentarier beschränkt sich darauf, ja „doch bald nicht mehr zu existieren“ und daher parlamentarische Rechte als hinderlich und zeitraubend abzulehnen.

Der Verfassungsentwurf des „Runden Tisches“ wird nicht einmal diskutiert. Volksabstimmungen werden ganz abgelehnt. Die PDS wird einer rechtsstaatswidrigen Kontrolle durch die Exekutive unterworfen. Lehrern und Schulleitern wird gekündigt und sie müssen sich neu bewerben. Berufsverbote werden danach weitaus wirkungsvoller als jemals in Bayern oder Baden-Württemberg gehandhabt.

Ein völliger Autoritätsverlust staatlicher Organe führt zu Wildwuchs im juristisch-polizeilichen Bereich. Einhaltung steuerrechtlicher Bestimmungen wird ebensowenig kontrolliert wie Geschwindigkeitsüberschreitungen auf Autobahnen. Selbst die Ausfälle von Hooligans bei Fußballspielen bleiben sanktionslos: Die Volkspolizei schaut zu. Mitglieder einer westdeutschen Rockband werden am hellichten Tag auf dem Alexanderplatz als „rote Schweine“ verfolgt. Die Volkspolizei unternimmt nichts. Dort, wo es opportun ist, bei der Festnahme von RAF-Mitgliedern oder beim Personenschutz bundesdeutscher Politiker und ihrer Kundgebungen ist sie aktiv. Getan wird, was der große Bruder wünscht oder zu wünschen wollen scheint. Vorauseilender Gehorsam ist angesagt. Verantwortliche Politiker betonen des einen Tags noch ihre Souveränität, um sie des anderen Tags für überholt einzustufen und genau das zu tun, was man von ihnen verlangt.

Der große

Ausverkauf

Diese Bereitschaft macht auch vor ehemaligen Straftatbeständen der DDR nicht halt. Während die Verfahren gegen ehemalige Staatsfunktionäre wegen der Veruntreuung von Volksvermögen noch nicht abgeschlossen sind, findet allerorten ein Massenausverkauf von Staatseigentum zu Schleuderpreisen statt. Was Honecker u.a. nicht schafften, wird in wenigen Wochen vollzogen. Die staatliche Versicherungswirtschaft wird durch einen einzigen bundesdeutschen Konzern übernommen. Die Marktwirtschaft beginnt also, indem sie aufhört: Das staatliche Monopol wird durch ein privates abgelöst. Die Energiewirtschaft soll einem Konsortium bundesdeutscher Energiekonzerne ausgeliefert werden. Noch nicht einmal bundesdeutsches Kartellrecht wird zugrundegelegt. Betriebe werden nicht nur privatisiert und in den Konkurs getrieben. Schlimmer noch: Massenhafte Überschwemmung mit westdeutschen Konsumgütern führt dazu, daß diese Waren selbst dann DDR-Waren vorgezogen werden, wenn diese entweder gleichwertig oder sogar preisgünstiger sind. Der zusätzliche Konkurs von Betrieben der Konsumgüterindustrie ist die Folge. Zugleich stagniert die Investitionsgüterindustrie. Produktive Branchen arbeiten mit ungewisser Zukunft. Bundesdeutsche Investoren warten ab, bis ihnen der ganze Betrieb in den Schoß fällt, gegebenenfalls sogar geschenkt wird.

Eine Gemeinde nördlich von Berlin stand kurz vor der Unterzeichnung eines Pachtvertrages mit einem Westberliner Maklerbüro über ein jahrhundertealtes Kloster. Der Vertrag sah die unentgeltliche Nutzung vor! Einzige Bedingung: Beachtung des Denkmalschutzes und der Betrieb eines Restaurants und Hotels! Der Vertrag sollte für die Gemeinde unkündbar sein. Nur zufällig in Kenntnis gesetzte Bürger verhinderten die Unterzeichnung. Auf der Suche nach Investoren jeglicher Art erscheint nicht nur jegliche Privatisierung, darunter (im Gegensatz zur Bundesrepublik) auch von Kunstschätzen und historischen Bauwerken gerechtfertigt. Nicht ein „Markt“ oder eine wie immer geartete „Marktwirtschaft“ wird geschaffen, sondern der unkontrollierte und meist unproduktive Ausverkauf von Volksvermögen wird ermöglicht.

Die Ökonomie der DDR wird damit zum Ramschladen potenter Anbieter auf bundesdeutschen oder internationalen Märkten. Nicht Sanierung einer maroden Staatswirtschaft ist die Folge, sondern Kahlschlag ihrer produktiven oder verwertbaren Restbestände. Die DDR-Ökonomie wird weder reformiert noch repariert, sondern ausgeschlachtet.

Soziale Konflikte in der neuen Eigentumsordnung

Wie wenig die Sanierung der Staatswirtschaft den Intentionen der Anpassungsstrategen in Bonn und Ost-Berlin entspricht, zeigt sich vor allem in ihrer Lösung der „Grund-und-Boden -Frage“. Weder die planmäßige produktive Nutzung öffentlichen Grund und Bodens durch private Investoren noch die Privatisierung schlechthin sind das Ziel, sondern die „Rückgabe“ an enteignete oder auch nur entflohene oder auch nur desinteressierte ehemalige Besitzer im Westen. Die Folge, eine totale Verunsicherung und Bedrohung tausender Mieter und Familienhauseigentümer wird bewußt in Kauf genommen. Allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz gibt es kaum ein Dorf, in dem sich nicht westliche Grundeigentümer schon gemeldet und mit der Gemeinde über die Rückgabe verhandelt hätten. Aus Angst vor (kommunal-) politischen Konsequenzen wurden in zahlreichen Gemeinden den bundesdeutschen Erben meist wertvollere Ersatzgrundstücke aus öffentlichem Eigentum (z.B. Seegrundstücke) geschenkt. Auflagen waren damit nicht verbunden. Weder Auflagen in Richtung einer produktiven Nutzung (z.B. Gewerbeansiedlung) noch Auflagen hinsichtlich der Schaffung von Wohneigentum (Häuserbau usw.). Wer Grundeigentümer war oder zu dessen Erben wurde, läßt sich jetzt versilbern, was ein Jahr zuvor nicht einmal das Papier wert war, auf dem es im Grundbuch gedruckt erschien. Spekulation und Grundrente treten an die Stelle des angeblich erstrebten „Marktes“. Die in der Bundesrepublik durchaus üblichen Auflagen beim Verkauf von kommunalem Grundeigentum (z.B. zum Bau von Wohnungen oder die Beachtung von Bebauungsplänen und dergleichen) existieren nicht. Auch hier wird der längst über bloße Anpassung hinausgehende Sonderstatus des ehemaligen DDR -Territoriums, die „offene Wirtschaftszone“, deutlich. Sie soll Sondergewinne ermöglichen und dabei Sozialfälle produzieren. Die Schaffung eines Marktes ist nicht das vorrangige Ziel.

Der zentrale Kampfbegriff „soziale Marktwirtschaft“

Der laufende Akt bedingungsloser Unterwerfung bedarf ideologischer Rechtfertigung und Motivation. Der zentrale Kampfbegriff dabei ist die „soziale Marktwirtschaft“ oder „die ökologische und soziale Marktwirtschaft“. Wissenschaftlich durch nichts belegt und abgesichert. Allenfalls durch das Prädikat „bestens bewährt in der Bundesrepublik“. Alle relevanten politischen Gruppierungen in der DDR, einschließlich der PDS, haben diese Chimäre, die selbst in der Bundesrepublik immer vergeblich ein Pendant in der gesellschaftlichen Realität suchte, übernommen. Sie ist zu einem Dogma geworden, das mehr noch als die hierzulande oft bemühte Formel der „freiheitlich-demokratischen -Grundordnung“ zur Staatsreligion eines untergehenden Staates avancierte. Ihre Kehrseite ist die politische Fundamentalnorm der CDU „Nie wieder Sozialismus!“. Doch tatsächlich steht sie formal und funktional in keinem Gesetz zum alten Dogma des SED-Staates. Selbst bis in die Sprache der offiziellen Politik hinein zeigt sich, daß sie zum unduldsamen Kampfbegriff, zur Bekenntnisnorm wurde. Ganz so wie das Bekenntnis und die „Treue zum realen Sozialismus“. Da merken DSU-Politiker gar nicht, daß sie, ganz wie weiland die SED, stets das „prozeßhafte“ ihrer Politik betonen, ja, daß sie sogar den „Prozeß des Übergangs“ oder sogar die „weitere Entwicklung“ oder „weitere Ausgestaltung“ (um nicht zu sagen „die weitere Vervollkommnung“) der sozialen Marktwirtschaft bemühen. Die undialektischen und bekenntnishaften Sprachschöpfungen des SED-Staates existieren in anderem Gewand weiter.

Dem kommt entgegen, daß die zum Teil offene, zum Teil latente Spießermoral der SED-Bürokraten auch sprachlich unverändert übernommen werden kann. So erscheinen ausländerfeindliche Ausbrüche als historisch nur allzu konsequent: Was jahrelang im staatlichen Konsens den Kontakt und den Austausch mit der „Welt“ vermied, darf nun endlich öffentlich das Deutsche, Nur-Deutsche, oder das eine Volk betonen.

Passive Anpassung statt kollektiver Widerstand

Natürlich kann man bei kurzsichtiger Betrachtungsweise als Verantwortlichen für diese Misere das bundesdeutsche Kapital ausmachen und eine Theorie der Verschwörung bundesdeutschen Kapitals gegen die Ökonomie der DDR konstruieren.

Aber eine solche Betrachtung läßt außer Acht, daß die Entwicklung in der DDR nicht gegen den Willen der großen Mehrheit der Bevölkerung verlief, sondern ihren Wünschen entsprach. Daran ändern auch individuelle Enttäuschungen und Schäden nichts. Die Konsequenzen einer „raschen“ Einigung, das heißt einer Anpasung an bundesdeutsche Verhältnisse sind von Vertretern oppositioneller Gruppierungen immer wieder verdeutlicht worden. Die Bevölkerung hat die Warnungen gekannt, aber möglicherweise nicht geglaubt. Tatsächlich lag kein Irrtum über das Ziel der Zugfahrt vor, die seit der ersten und letzten Volkskammerwahl angetreten wurde.

Verantwortlich für diesen Zustand einer illusionären Hoffnung, für die passive Erwartung interessengerechter Anpassung war der 40jährige Zustand einer vormundschaftlichen Gesellschaft. Die Politik der SED, die von ihr betriebene Spielart eines undialektischen, auf Formeln und Sprechblasen reduzierten Marxismus, ihre alltägliche Entmündigung des Bürgers bei gleichzeitiger sozialer Fürsorge war und ist die Ursache des gegenwärtigen Dilemmas. Die unbewegliche Politik der Führungskriege Honeckers war der Auslöser für die friedliche Revolution des Novembers 1989. Aber die jahrzehntelange Politik der SED ist die Ursache für den gegenwärtigen Zustand der DDR und damit für die zu erwartende Regression einer gesamtdeutschen Gesellschaft. Der Realitätsverlust Honeckers war nur die für alle Welt sichtbare Spitze des Eisbergs an jahrelanger und alltäglicher Ignoranz der SED gegenüber den Problemen der Menschen. Statistiken wurden nicht nur im Apparat des Günther Mittag gefälscht und verbogen. Der Selbstbetrug und der Betrug an den Menschen wurde zur alltäglichen Praxis der SED und des von ihr geleiteten Staates.

Dadurch wurden und sind die Menschen in der DDR in ihrer großen Mehrheit nicht nur objektiv unfähig zu kollektivem Widerstand. Auch ihre subjektive Einstellung ist mehrheitlich geprägt von dem jahrzehntelangen Ausschluß gegenüber dem, was Hegel als „Welt“ begriff. Die Kontaktsperre der DDR-Gesellschaft macht Ausländerfeindlichkeit und Spießermoral zur logischen Konsequenz der Vergangenheit. So gesehen hat die Politik der SED nicht nur auf Jahrzehnte den Begriff „Sozialismus“ in den Augen vieler Menschen diskreditiert, sondern auch die subjektiven Bedingungen geschaffen, unter denen der Ausverkauf der DDR reibungsloser vollzogen werden konnte und vollzogen wird.

SED-PDS

quo vadis?

Die SED hat eine Erneuerung ihrer programmatischen Grundlagen und ihrer praktischen Politik aus eigener Kraft nicht geschafft. Sie hat rechtzeitig und ständig kritische Köpfe aus den eigenen Reihen verbannt und nicht nur politisch, sondern vor allem auch sozial ausgegrenzt. Jene, die in der Partei verblieben, betonen heute, sie hätten es nicht gewagt, aufzustehen, hätten abgewartet, hätten Konsequenzen für sich befürchtet. Die SED war damit trotz ihrer Rolle als Vormund selbst den vormundschaftlichen Strukturen des von ihr geschaffenen Staates verhaftet. Nicht die Staatssicherheit, die dieses System absichern half, war und ist für diese Strukturen verantwortlich, sondern die SED und ihre Politik. Erst die Beseitigung ihrer politischen Macht veranlaßte die SED zur Gründung der PDS bei gleichzeitiger Betonung der Rechtsnachfolgeschaft der neuen Partei. Ein glaubwürdiger Neubeginn konnte damit überhaupt nicht verbunden sein. Der mit dem Neubeginn verbundene Austausch neuer Köpfe war nur das absolute Minimum für das Überleben der Partei, nicht aber ein wirklicher Neubeginn.

Solange die PDS nicht aus eigener Kraft praktisch die von ihr mitverursachten Schäden der gegenwärtigen Anpassung begrenzen hilft, kann sie keine glaubwürdige Politik vertreten. Das bloße Zuschauen bei der gegenwärtigen Demontage entlastet sie nicht, sondern vergrößert ihre politische Verantwortung für künftige Rechtsentwicklungen in einem Gesamtdeutschland.

Damit können und dürfen die Diskriminierungen von PDS -Mitgliedern im öffentlichen und beruflichen Leben sowie die Ausgrenzung aus demokratischem Diskurs nicht gerechtfertigt werden. Im Gegenteil: Diskriminierungen dieser Art müssen bekämpft werden. In einzelnen Fällen wird auch Solidarität mit Betroffenen notwendig sein. Da die PDS immer noch ein beträchtliches Wählerpotential vertritt, darf auch im kommunalpolitischen Bereich der PDS nicht mit Berührungsängsten begegnet werden. Die Folge wäre nur eine noch reibungslosere Restauration alter Machtverhältnisse.

Aber ein inhaltliches oder gar organisatorisches Zusammengehen mit der PDS ist nicht nur aus historischen oder moralischen Gründen abzulehnen. Die PDS und ihre Politik sind verantwortlich für den Zuwachs an Glaubwürdigkeit solcher Slogans wie „Nie wieder Sozialismus“. Tatsächlich aber zwingt die oben beschriebene Entwicklung des Anpassungsprozesses und die virulenten Gefahren einer Rechtsentwicklung des künftigen Gesamtdeutschlands zu der Erkenntnis: „Nie wieder Stalinismus!“. Dies muß abseits und unabhängig von taktischen Bündnisfragen der Linken gelten. Ohne eine klare und eindeutige inhaltliche, organisatorische und personelle Zäsur sowie ohne einen in der konkreten politischen Praxis begonnenen Neuanfang der PDS wirft ein Bündnis der Linken mit der PDS die Linke nicht nur auf Jahrzehnte noch weiter zurück, als es die 40 Jahre der SED-Herrschaft vermochten. Die Erblast der PDS ist nicht so sehr die Politik der SED insgesamt, sondern das Datum ihrer angeblichen Erneuerung: Diesem Datum fehlt jeglicher glaubhafter Bezug zu Glasnost und Perestroika. Dabei sollte nicht vergessen werden, daß auch die sogenannten „Erneuerer“ in der bundesdeutschen DKP erst lange nachdem Gorbatschow seine Funktionen als Generalsekretär der KPdSU innehatte, meinten, gewisse Änderungen einklagen zu müssen. Auch darf nicht vergessen werden, daß vor allem der Umgang mit Andersdenkenden innerhalb der eigenen Organisation nicht nur in der SED, sondern auch und vor allem in der DKP vor Gorbatschow das entscheidende Kriterium für die Frage sein muß, ob und inwieweit eine Partei sich von stalinistischen Praktiken und stalinistischer Programmatik losgesagt hatte. Soziale Ausgrenzung praktizierte nicht nur der SED-Staat gegenüber Andersdenkenden, sondern sogar die politisch bedeutungslose DKP versuchte sich darin.

Die DDR ist tot, doch sie lebt nicht in erneuerter Form in der PDS weiter. Im Gegenteil: Solange die PDS keine organisatorische und auch keine praktische Zäsur zur alten SED-Politik vollzogen hat, lebt eine Vielzahl der Bedingungen in ihr fort, die für die gegenwärtige deutsch -deutsche Misere ursächlich waren. Mit einer solchen Partei kann die Linke kein programmatisches und organisatorisches Bündnis eingehen.